Mensch, 'Special', Unsichtbar
Ich bin ein Mensch. Das ist die
einfache Antwort auf diese Frage und eigentlich auch die Antwort, die
ich allen anderen möglichen Antworten gegenüber bevorzugen würde.
Mensch Sein ist der Kern unser aller Wesens, würde ich behaupten.
Ich fühle mich als Mensch, sogar so sehr, dass mein allererster
Tattoo-Wunsch, der vielleicht mal irgendwann realisiert wird, darin
besteht, mir 'human' auf die Hüfte tätowieren zu lassen.
Menschlich sein bedeutet für
mich, nicht perfekt zu sein, Gefühle zu haben, verständnisvoll zu
sein, Fehler zu machen und Fehler zu vergeben. Menschlich sein heißt
für mich, okay zu sein, wie auch immer ich bin, wer und was auch
immer ich bin.
In allererster Linie bin ich ein
Mensch.
Natürlich bin ich weit mehr als
nur Mensch. Alles, was ich bin, ist Mensch(lich), aber ich bin nicht
„irgendein“ Mensch. Ich bin der Mensch, der ich bin, der ich im
Laufe meines Lebens geworden bin, der jetzt gerade hier sitzt und
diesen Text schreibt – das und noch so viel mehr. Dieser eine
bestimmte Mensch bin ich.
Zu diesem einen bestimmten
Menschen, zu mir, gehören eine Menge Details dazu –
Charaktereigenschaften, Verhaltensmuster, Gewohnheiten, Gefühle,
Gedanken, Hintergründe, Erinnerungen, Geschichten, Hobbys, Familie,
Freunde und so weiter und so fort. Es ist eine endlose Liste, die
sich immer wieder erweitert und verändert, während ich mich
erweitere und verändere. Diese Liste, die alles beinhaltet, was mich
ausmacht und dementsprechend weit mehr ist als bloß eine einfache
Liste, denn alles ist miteinander verwoben, ergänzt und erklärt
sich gegenseitig, spielt zusammen und spielt sich aus, verknüpft und
trennt, sowie alles dazwischen, dahinter, daneben, darunter,
drumherum.
Allein schon an dieser kleinen
Aufzählung, diesem Ansatz zeigt sich, was für ein buntes
Durcheinander die eigene Identität ist, woraus unweigerlich folgt,
dass sie niemals so ganz verstanden werden kann.
Du kannst dir einer Menge Dinge
über dich selbst bewusst sein und dich selbst gut kennen,
selbstbewusst und selbstsicher auftreten, weil du dir deiner Selbst
sehr bewusst und sicher bist.
Du kannst dich über bestimmte
Dinge an, in, bei dir definieren und mit diesen Dingen
identifizieren.
Du kannst dich von bestimmten
Dingen bewusst oder unbewusst abgrenzen.
Du kannst bestimmte Dinge
ausleben, einige exzessiver als andere.
Du kannst mit bestimmten Dingen
abschließen, dazu lernen, dich verändern und weiterentwickeln.
(Mit Dinge meine ich hier nicht
Gegenstände, sondern alle möglichen Details, die einen Menschen
ausmachen.)
All das und noch so viel mehr
gehört dazu.
Das Meiste passiert wahrscheinlich
eher weniger bewusst, außer du beschäftigst dich ganz konzentriert
mit einer bestimmten Sache oder denkst besonders intensiv über etwas
nach, was beides Dinge sind, die ich doch dann und wann ziemlich
ausdauernd und auch gerne tue.
Ich würde nicht behaupten, dass
ich mich unheimlich gut kenne oder gar gut verstehen würde, aber bei
einigen Dingen habe ich mit der Zeit einiges gelernt und mich mehr
mit ihnen auseinandergesetzt, teilweise beabsichtigt, teilweise
gezwungenermaßen und teilweise weil es einfach passierte.
Die Frage „Was bin ich?“
gehört so ein bisschen in alle drei dieser Kategorien. Ich wollte
mich mehr damit auseinandersetzen, habe mich irgendwo auch dazu
gezwungen gefühlt und das Meiste davon ist einfach so passiert, weil
ich offen dafür war, auch wenn ich mich hier und dort gesträubt
habe und noch immer sträube.
Letzterem versuche ich mit diesem
Blogpost und denen, die noch zu dieser Reihe folgen werden, entgegen
zu wirken. Ich will mich nicht dagegen sträuben oder seltsam
deswegen fühlen. Ich will es nicht in mich hineinfressen oder als
etwas behandeln „das niemanden etwas angeht“, auch wenn das rein
theoretisch der Wahrheit entspricht. Ich will darüber schreiben und
darüber reden, wie ich es bereits in einem Video auf meinem
Youtube-Kanal getan habe. Ich will mich dieser Sache stellen, weil es
an der Zeit ist diese nebenher mitlaufende Sache mal etwas unsanft
ins Rampenlicht zu ziehen.
Aufklären möchte ich mit dieser
Post-Reihe nur ein klitzekleines Bisschen und eher aus dem Grund,
weil das automatisch nebenbei passieren wird. Doch meine
Hauptmotivation besteht schlicht und ergreifend darin, meine
Geschichte, meine Gedanken und Gefühle zu teilen, denn dafür war,
ist und wird dieser Blog immer gedacht sein.
Ich entschuldige mich also jetzt
schon einmal für mögliche Fehler, Fehlformulierungen und alles, was
in die Richtung geht sowie eventuell Verletzendes, Triggerndes, auch
alles in diese Richtung gehende. Ich möchte einfach ein bisschen von
mir und meiner Beschäftigung mit diesem speziellen Thema erzählen.
Wem irgendetwas daran nicht
gefällt, derjenige hat keinerlei Verpflichtung es zu lesen, ganz im
Gegenteil. Tut lieber etwas, das euch in irgendeiner Weise Spaß
bereitet oder euch weiterbringt. An alle anderen, die vielleicht
neugierig sind, ihren Horizont erweitern wollen, Interesse an solchen
Geschichten haben oder aus welchem Grund auch immer hier gelandet
sind: Hi und willkommen zu meinem Versuch, meine Geschlechtsidentität
und sexuelle Orientierung zu beschreiben.
Dieser Post dient erstmal nur als
kleine Hinführung an alle, die aus welchem Grund auch immer
interessiert sind, und als 'Warnung' an alle, die sich aus welchem
Grund auch immer lieber nicht mit sowas beschäftigen wollen.
Ich muss mich selber langsam und
vorsichtig an alles herantasten, da auch für mich viele Ängste und
Unsicherheiten mit dieser ganzen Geschichte verbunden sind, auch wenn
vieles davon eher unterschwellig und eben wie bereits erwähnt
'nebenher' mit reinspielt.
Für mich war und ist dieses ganze
Thema keine unfassbar groß krasse Sache, die ich jedem unbedingt mit
diesem Blogpost unter die Nase reiben will, darum geht es nicht und
ich bin ziemlich sicher, dass es in den allerwenigsten Fällen darum
geht. Ich will nicht 'special' sein. Alles, was ich will und jemals
wollen werde, ist akzeptiert zu werden, wie ich bin und ich wünsche
mir aus ganzem Herzen, dass mithilfe von mehr Awareness, was auch
heißt mehr solcher Geschichten wie diese hier, andere es leichter
haben werden und irgendwann sich niemand mehr irgendwelche Vorurteile
anhören muss.
Ich bin, wie ich bin und du bist,
wie du bist. Jeder ist, wie er ist. Leben und leben lassen.
Akzeptieren und respektieren. – Darum geht es und um nichts
anderes.
Ich erwarte nicht, verstanden zu
werden, aber ich werde dennoch versuchen, mich in irgendeiner Weise
zu erklären und vielleicht ein kleines bisschen verständlicher zu
machen und somit auch gewisse Dinge ein kleines bisschen
verständlicher zu machen. Ob mir das gelingen wird, kann ich selber
natürlich nicht beurteilen, aber ich erwarte auch kein Feedback.
Ich möchte mir vor allem all
diesen Kram von der Seele schreiben, da ich nie darüber rede, weil
ich das Gefühl habe, es nicht zu können, nicht zu dürfen und es
sowieso besser sein lassen sollte. Ich will dieses Gefühl nicht mehr
haben. Ich hasse dieses Gefühl.
Mein Leben lang habe ich mich aus
unterschiedlichsten Gründen unsichtbar gefühlt und dies ist einer
der Gründe. Es mag noch ein recht frischer und vielleicht sehr
dummer Grund sein, aber es ist ein Grund für mich. Und ich will
gegen diese Gründe ankämpfen. Ich will nicht länger unsichtbar
sein.
Fazit dieses ersten Posts / Erste
Antwort auf die Frage „Was bin ich?“:
- Ich bin ein Mensch.
- Ich bin nicht 'special'.
- Ich will nicht unsichtbar sein.