Dienstag, 22. Mai 2018

Was bin ich? (1)

Mensch, 'Special', Unsichtbar


Ich bin ein Mensch. Das ist die einfache Antwort auf diese Frage und eigentlich auch die Antwort, die ich allen anderen möglichen Antworten gegenüber bevorzugen würde. Mensch Sein ist der Kern unser aller Wesens, würde ich behaupten. Ich fühle mich als Mensch, sogar so sehr, dass mein allererster Tattoo-Wunsch, der vielleicht mal irgendwann realisiert wird, darin besteht, mir 'human' auf die Hüfte tätowieren zu lassen.
Menschlich sein bedeutet für mich, nicht perfekt zu sein, Gefühle zu haben, verständnisvoll zu sein, Fehler zu machen und Fehler zu vergeben. Menschlich sein heißt für mich, okay zu sein, wie auch immer ich bin, wer und was auch immer ich bin.
In allererster Linie bin ich ein Mensch.

Natürlich bin ich weit mehr als nur Mensch. Alles, was ich bin, ist Mensch(lich), aber ich bin nicht „irgendein“ Mensch. Ich bin der Mensch, der ich bin, der ich im Laufe meines Lebens geworden bin, der jetzt gerade hier sitzt und diesen Text schreibt – das und noch so viel mehr. Dieser eine bestimmte Mensch bin ich.
Zu diesem einen bestimmten Menschen, zu mir, gehören eine Menge Details dazu – Charaktereigenschaften, Verhaltensmuster, Gewohnheiten, Gefühle, Gedanken, Hintergründe, Erinnerungen, Geschichten, Hobbys, Familie, Freunde und so weiter und so fort. Es ist eine endlose Liste, die sich immer wieder erweitert und verändert, während ich mich erweitere und verändere. Diese Liste, die alles beinhaltet, was mich ausmacht und dementsprechend weit mehr ist als bloß eine einfache Liste, denn alles ist miteinander verwoben, ergänzt und erklärt sich gegenseitig, spielt zusammen und spielt sich aus, verknüpft und trennt, sowie alles dazwischen, dahinter, daneben, darunter, drumherum.

Allein schon an dieser kleinen Aufzählung, diesem Ansatz zeigt sich, was für ein buntes Durcheinander die eigene Identität ist, woraus unweigerlich folgt, dass sie niemals so ganz verstanden werden kann.
Du kannst dir einer Menge Dinge über dich selbst bewusst sein und dich selbst gut kennen, selbstbewusst und selbstsicher auftreten, weil du dir deiner Selbst sehr bewusst und sicher bist.
Du kannst dich über bestimmte Dinge an, in, bei dir definieren und mit diesen Dingen identifizieren.
Du kannst dich von bestimmten Dingen bewusst oder unbewusst abgrenzen.
Du kannst bestimmte Dinge ausleben, einige exzessiver als andere.
Du kannst mit bestimmten Dingen abschließen, dazu lernen, dich verändern und weiterentwickeln.
(Mit Dinge meine ich hier nicht Gegenstände, sondern alle möglichen Details, die einen Menschen ausmachen.)

All das und noch so viel mehr gehört dazu.
Das Meiste passiert wahrscheinlich eher weniger bewusst, außer du beschäftigst dich ganz konzentriert mit einer bestimmten Sache oder denkst besonders intensiv über etwas nach, was beides Dinge sind, die ich doch dann und wann ziemlich ausdauernd und auch gerne tue.
Ich würde nicht behaupten, dass ich mich unheimlich gut kenne oder gar gut verstehen würde, aber bei einigen Dingen habe ich mit der Zeit einiges gelernt und mich mehr mit ihnen auseinandergesetzt, teilweise beabsichtigt, teilweise gezwungenermaßen und teilweise weil es einfach passierte.

Die Frage „Was bin ich?“ gehört so ein bisschen in alle drei dieser Kategorien. Ich wollte mich mehr damit auseinandersetzen, habe mich irgendwo auch dazu gezwungen gefühlt und das Meiste davon ist einfach so passiert, weil ich offen dafür war, auch wenn ich mich hier und dort gesträubt habe und noch immer sträube.
Letzterem versuche ich mit diesem Blogpost und denen, die noch zu dieser Reihe folgen werden, entgegen zu wirken. Ich will mich nicht dagegen sträuben oder seltsam deswegen fühlen. Ich will es nicht in mich hineinfressen oder als etwas behandeln „das niemanden etwas angeht“, auch wenn das rein theoretisch der Wahrheit entspricht. Ich will darüber schreiben und darüber reden, wie ich es bereits in einem Video auf meinem Youtube-Kanal getan habe. Ich will mich dieser Sache stellen, weil es an der Zeit ist diese nebenher mitlaufende Sache mal etwas unsanft ins Rampenlicht zu ziehen.

Aufklären möchte ich mit dieser Post-Reihe nur ein klitzekleines Bisschen und eher aus dem Grund, weil das automatisch nebenbei passieren wird. Doch meine Hauptmotivation besteht schlicht und ergreifend darin, meine Geschichte, meine Gedanken und Gefühle zu teilen, denn dafür war, ist und wird dieser Blog immer gedacht sein.
Ich entschuldige mich also jetzt schon einmal für mögliche Fehler, Fehlformulierungen und alles, was in die Richtung geht sowie eventuell Verletzendes, Triggerndes, auch alles in diese Richtung gehende. Ich möchte einfach ein bisschen von mir und meiner Beschäftigung mit diesem speziellen Thema erzählen.
Wem irgendetwas daran nicht gefällt, derjenige hat keinerlei Verpflichtung es zu lesen, ganz im Gegenteil. Tut lieber etwas, das euch in irgendeiner Weise Spaß bereitet oder euch weiterbringt. An alle anderen, die vielleicht neugierig sind, ihren Horizont erweitern wollen, Interesse an solchen Geschichten haben oder aus welchem Grund auch immer hier gelandet sind: Hi und willkommen zu meinem Versuch, meine Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung zu beschreiben.

Dieser Post dient erstmal nur als kleine Hinführung an alle, die aus welchem Grund auch immer interessiert sind, und als 'Warnung' an alle, die sich aus welchem Grund auch immer lieber nicht mit sowas beschäftigen wollen.
Ich muss mich selber langsam und vorsichtig an alles herantasten, da auch für mich viele Ängste und Unsicherheiten mit dieser ganzen Geschichte verbunden sind, auch wenn vieles davon eher unterschwellig und eben wie bereits erwähnt 'nebenher' mit reinspielt.
Für mich war und ist dieses ganze Thema keine unfassbar groß krasse Sache, die ich jedem unbedingt mit diesem Blogpost unter die Nase reiben will, darum geht es nicht und ich bin ziemlich sicher, dass es in den allerwenigsten Fällen darum geht. Ich will nicht 'special' sein. Alles, was ich will und jemals wollen werde, ist akzeptiert zu werden, wie ich bin und ich wünsche mir aus ganzem Herzen, dass mithilfe von mehr Awareness, was auch heißt mehr solcher Geschichten wie diese hier, andere es leichter haben werden und irgendwann sich niemand mehr irgendwelche Vorurteile anhören muss.
Ich bin, wie ich bin und du bist, wie du bist. Jeder ist, wie er ist. Leben und leben lassen. Akzeptieren und respektieren. – Darum geht es und um nichts anderes.

Ich erwarte nicht, verstanden zu werden, aber ich werde dennoch versuchen, mich in irgendeiner Weise zu erklären und vielleicht ein kleines bisschen verständlicher zu machen und somit auch gewisse Dinge ein kleines bisschen verständlicher zu machen. Ob mir das gelingen wird, kann ich selber natürlich nicht beurteilen, aber ich erwarte auch kein Feedback.
Ich möchte mir vor allem all diesen Kram von der Seele schreiben, da ich nie darüber rede, weil ich das Gefühl habe, es nicht zu können, nicht zu dürfen und es sowieso besser sein lassen sollte. Ich will dieses Gefühl nicht mehr haben. Ich hasse dieses Gefühl.

Mein Leben lang habe ich mich aus unterschiedlichsten Gründen unsichtbar gefühlt und dies ist einer der Gründe. Es mag noch ein recht frischer und vielleicht sehr dummer Grund sein, aber es ist ein Grund für mich. Und ich will gegen diese Gründe ankämpfen. Ich will nicht länger unsichtbar sein.

Fazit dieses ersten Posts / Erste Antwort auf die Frage „Was bin ich?“:
  1. Ich bin ein Mensch.
  2. Ich bin nicht 'special'.
  3. Ich will nicht unsichtbar sein.

Bis zum nächsten Post.