Dienstag, 5. Mai 2015

52/52 Challenge: Farbenfrohes Einmalimmer

Da ist auch schon Nr. 23. :)
Soeben Nr. 28 beendet. :D
Ich hoffe, die Kurzgeschichte hier klappt so mit dem Wort. Immerhin ist ein Wohnmobil ein Auto...

Wort: Auto
Wörter: 538

Farbenfrohes Einmalimmer

Die Welt zieht am Fenster des Wohnmobils vorbei.
Nein, das ist nicht die Welt. Was da am Fenster vorbeizieht, sind irgendwelche Bäume, Felder, andere Autos und Häuser. Das da draußen ist alles bedeutungslos, nichtssagend, inhaltslos, unwirklich. Es zählt das in uns – unsere Gedanken, unsere Werte, unsere Erinnerungen, unsere Träume, unsere Gefühle.
Das gehen mir durch den Kopf, während ich den wolkenlosen, blauen Himmel und die mich blendenden Sonnenstrahlen betrachtete. Ich schließe die Augen und atme tief ein.
Ich will es loslassen, alles, was mich festhält. Will es hinter mir lassen. Will nach vorne schauen. Doch was ich nicht will, ist vergessen. Was ich nicht will, ist bereuen. Es gibt nichts zu bereuen. Alles, was gewesen ist, ist ein Teil von mir.
Dennoch wünsche ich, es wäre anders gelaufen. Im letzten Jahr, dem letzten Schuljahr von mir und meinen Freunden, ist viel passiert und ich habe bestimmt nur die Hälfte davon verstanden. Das ist auch okay. Irgendwann werde ich es bestimmt verstehen. Irgendwann wird alles einen Sinn ergeben. Daran glaube ich.
Es ist trotzdem nicht leicht. Ich schaue nach vorne, wo mein bester Freund und seine Freundin sitzen. In ihn bin ich verliebt, mit ihr war ich zusammen und ja, das ist genauso seltsam, wie es klingt. Viel seltsamer ist aber, dass ich trotzdem mit ihnen in diesem Wohnmobil sitze und wir trotz allem diesen Roadtrip machen, den wir gemeinsam in den letzten Jahren geplant haben. Es wundert mich wirklich, dass sie mich noch dabei haben wollen und dass ich noch immer dabei sein will. Andererseits beweist das wohl die Stärke unserer Freundschaft oder unsere endlose Dummheit, je nachdem wie man es sehen will.
Eigentlich bin ich Optimist und bevorzugte somit die erste Sichtweise. Aber es ist sicherlich auch sehr dumm von ihnen und mir, sich auf das hier einzulassen. Mir entweicht ein tonloses Seufzen und ich schaue wieder aus dem Fenster, genieße die Belanglosigkeit der vorbeiziehenden Landschaft.
Sie lachen über irgendetwas und Liam, mein bester Freund, in den ich verliebt bin, ruft mich: „Tam. Tama. Tamaro!“
„Was denn?“, frage ich grinsend. Ich liebe es, wenn er meine Spitznamen sagt und ich liebe es, wenn er meinen vollen Namen sagt. Vor allem liebe ich seine belustigte Tonlage dabei. Er ist einer dieser immer fröhlichen Menschen, die in allem etwas positives finden. Wegen ihm bin ich Optimist.
Er erzählt mir, was eben passiert ist, worüber sie gelacht haben und wir lachen alle zusammen und es ist schön. Vielleicht kann es schön werden, dieser Roadtrip, diese Reise, die wir schon so lange machen wollen und jetzt, wo wir mit der Schule fertig sind, endlich machen können. Ich will daran glauben. Ich will, dass es schön wird.
Ich weiß, so etwas kann man nicht erzwingen und wir drei, vor allem ich, haben die besten Voraussetzungen dafür, dass diese ganze Sache eskaliert und ich gehe ein sehr hohes Risiko ein, weil ich höchstwahrscheinlich derjenige sein werde, der am Ende alleine dasteht.
Aber es ist mir egal. Ich will es versuchen. Natürlich habe ich Angst. Aber meine Neugierde ist größer und ich freue mich schon viel zu lange auf diese Reise.
Also werde ich mein Bestes geben, keine Katastrophe zu verursachen und diese Reise zu einer langen, unvergesslich schönen Erinnerung zu machen.

Montag, 4. Mai 2015

04.05.2015 - Leben am Limit

Dear Sweet Heart.

Eigentlich sollte ich mich ja nicht beschweren. Vielen geht’s schlechte und so weiter und so fort. Ändert aber an meiner Situation trotzdem nichts.
Ich befinde mich in einer sehr doofen Übergangsphase und ich ärgere mich unheimlich, mich nicht schon gleich nach dem Abi für ein Studium entschieden zu haben. Dann hätte ich die Probleme jetzt nicht. Ja, vielleicht hätte mir der Studiengang nicht gefallen und so weiter und so fort und ich hab mich direkt nach dem Abi halt noch nicht zum Studieren bereit gefühlt, wollte mal was anderes machen, als lernen.
Jetzt habe ich über neun Monate lang was anderes gemacht und stelle fest: Ich will lernen. Auch gut.
Darum sollte es in diesem Post jetzt aber eigentlich nicht gehen. So ähnliches hatte ich das ja auch schon letzte Woche geschrieben.
Worüber ich schreiben wollte, ist das, was ich die letzten Monate gemacht habe und jetzt mache. Also: FSJ in der Tagesbetreuung eines Altenheims und Aushilfsjob in einem Hotel als Zimmermädchen.
Was hat das Beides gemeinsam? - Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal machen würde. Ich kann es nicht sonderlich gut. Neue Erfahrungen für mich. Viel Selbstständigkeit.
Gut, ähm, ist das jetzt positiv oder negativ? Ich weiß nicht so recht. Bei meinem FSJ würde ich definitiv noch sagen, dass es eine sehr gute und sehr wichtige Erfahrung war. Was den Aushilfsjob angeht... Na ja, werde ich wohl noch herausfinden? Im Moment habe ich echt keine Ahnung. Eigentlich will ich es nicht machen, aber so schlimm ist es auch nicht und Geld und was anderes suchen und hm.
Aber warum jetzt Leben am Limit?
Es sind beides Sachen, Arbeiten, mit denen die meisten Menschen nie etwas zu tun haben. Viele haben einfach absolut keine Ahnung, wie das ist, mit alten, hilfsbedürftigen Menschen zu arbeiten oder wie es ist, fünf Stunden lang zu putzen und Betten zu machen. Das ist beides sehr anstrengend, wenn auch auf völlig unterschiedliche Weise.
Ich denke, eigentlich sollte diese Erfahrungen jeder einmal im Leben machen. Einfach, um zu wissen, wie das ist, um es schätzen zu lernen. Denn es ist Knochenarbeit, die gewürdigt werden sollte und für Beides sollte es mehr Geld, mehr Zeit, mehr Personal geben.
Ich bin froh, dass ich mein FSJ abgebrochen habe und ich werde sehr, sehr froh sein, wenn ich nicht mehr als Zimmermädchen arbeiten muss und ich werde ganz sicher keins von Beidem später noch einmal machen! Ist Beides nicht mein Ding und ugh, anstrengend.
Ja, ich bin ein fauler Mensch, aber darum geht es gar nicht nur. Ich will einfach das machen, was ich kann und woran ich Spaß habe, was ich machen will und das ist Schreiben. Ich hoffe, mein Leben, mein Schicksal oder was auch immer bestimmt, was passiert, weiß das und lässt mich das auch so ausleben. Es darf ruhig schwieriger und anders sein, als ich es mir vorstelle. Aber es soll trotzdem gut sein.
Denn dieses Leben am Limit stresst mich total. Es fällt mir richtig schwer, zu entspannen. Ich bin quasi dauerangespannt und mache mir ständig deswegen Gedanken. Ich hasse das. Ich will ein gelassener Mensch sein, denn Dinge passieren, wie sie passieren.
Aber ich will vor allem auch entscheiden, wie ich lebe, was ich mache. Ich will mich zu nichts gezwungen sehen.
Im Moment bin ich leider zu diesem Leben am Limit gezwungen. Aber selbst da habe ich Möglichkeiten. Ich muss sie nur sehen und wahrnehmen, mutig genug, stark genug sein. Aber vielleicht auch mutig und stark genug, um den Aushilfsjob als Zimmermädchen durchzuhalten.

52/52 Challenge: Sonnenmomente

Und Nr. 22. :D
Wieder Fanfiktion, erneut Free! ;D
Viel Spaß beim Lesen.

Wort: Sonne
Wörter: 3966


Sonnenmomente

Harus Sicht
Als ich in die psychiatrische Klinik eingewiesen wurde, gab es keine Sonne in meinem Leben. Alles war dunkel. Ich konnte keinen Farben mehr sehen. Es gab sie einfach nicht mehr für mich. Ich konnte mich an sie erinnern und ich konnte mich auch an schöne Gefühle und schöne Momente erinnern. Aber selbst das, was einst schön gewesen war, war jetzt dunkel.
Am Anfang hatte ich Angst gehabt, unheimliche Angst. Was, wenn es nie wieder hell werden und für immer dunkel bleiben würde? Was würde dann aus mir werden? Würde ich sterben?
Irgendwann verschwand meine Angst. Ich fürchtete die Dunkelheit nicht länger. Vielleicht war es sogar besser. Vielleicht waren die meisten Dinge so – dunkel. Vielleicht war diese dunkle Welt die wahre Welt und ich hatte es bisher nur nicht gewusst.
Also nahm ich sie hin, die Dunkelheit, die Farblosigkeit und verlor mich in diesem Nichts.
Die Welt und das Leben sind grausam, das habe ich gelernt. Es ist eine Tatsache. Ich konnte das Schöne nicht mehr sehen, konnte es nicht mehr fühlen und es störte mich nicht einmal. Ich nahm es hin, akzeptierte es. Ich dachte gar nicht darüber nach, es zu ändern. Am Anfang hatte ich das. Ich hatte die Angst bekämpfen wollen, aber ich hatte keinen Weg gefunden. Es gab auch wahrscheinlich keinen Weg, das wusste ich jetzt.
Ich merkte gar nicht, dass ich aufhörte zu essen und zu schlafen. Die meiste Zeit lag oder saß ich irgendwo und starrte vor mir hin. Nichts hatte eine Bedeutung, denn alles war nichts. Ich war nichts. Die Dunkelheit war nichts. Nichts.
Mein bester Freund, Makoto bemerkte schließlich, wie es um mich stand und rief meine Eltern an. Gemeinsam brachten sie mich in die Klinik. Ich hatte nichts dagegen. Warum auch? Es hatte schließlich keine Bedeutung. Nichts hatte mehr eine Bedeutung.
Ich winkte ihnen, als sie wieder wegfuhren und mich in der Klinik ließen. Sie sahen sehr traurig aus.
Die meisten anderen Jugendlichen in der Klinik sahen kaputt aus. Nicht kaputt im Sinne von erschöpft, wobei sie wohl auch das waren, aber vor allem seelisch kaputt. Natürlich, sonst wären sie nicht in der Klinik. Ich fragte mich, wie ich wohl für andere aussah. Auch so kaputt? Denn anscheinend war ich das ja, auch wenn das, was mir passiert war, deutlich undramatischer war, als so manche Geschichte, die ich hörte.
Doch all diese Geschichten bestätigten mich eigentlich nur in dem, was ich dachte. Sie bestätigten die Dunkelheit, gaben ihr neue Nahrung, noch bessere Begründungen. Langsam vergaß ich, wie es ohne diese Dunkelheit war.
Manchmal saß ich in meinem Zimmer auf der Fensterbank und starrte nach draußen. Es war Sommer und die Sonne schien, aber ich konnte sie weder richtig sehen noch richtig fühlen. Alles war dumpf und dunkel. Bald würden so auch all meine Erinnerungen sein und ich würde es ganz vergessen, das Schöne und das Helle.
Mein Psychiater und die Betreuer konnten auch nichts dagegen tun. Sie hätten mir Pillen geben können, aber das wollte ich nicht. Ja, Glückspillen würden mich glücklich machen, aber das wäre ja nur vorgetäuscht. Auch das gab der Dunkelheit wieder Bestätigung. So ist die Welt, sagte sie. Alles ist nur vorgetäuscht und falsch. Helligkeit, Farben, das gibt es alles nicht. Nur mich, die Dunkelheit.
Somit war alles, was sie in der Klinik taten, mich am Leben erhalten. Sie zwangen mich zu essen und zu schlafen. Die Vitamintabletten und die Schlaftabletten nahm ich, dagegen hatte die Dunkelheit nichts. Es änderte auch nichts. Mein Körper wurde wieder etwas kräftiger, aber das war der Dunkelheit egal.
Abgesehen vom Essen und Schlafen war die Klinik der absolut falsche Ort für mich. Es gab viel zu viel, wovon die Dunkelheit sich nähren und wachsen konnte. Aber woanders hätte sie sich wohl auch ihre Quellen gesucht. Es war ohnehin egal. Dunkelheit war Dunkelheit.
//
Eines Tages, ich war bestimmt schon zwei Wochen in der Klinik, kam jemand neues in unsere Therapiegruppe. Seine Haare besaßen die Farbe von Magenta. Mein Blick hing eine Weile an ihnen fest. Es war eine so intensiv Farbe, die es nicht oft zu sehen gab. Für einen kleinen Moment wünschte ich, ich könnte sie richtig sehen und fühlen, ohne den Schatten der Dunkelheit.
„Stell dich doch kurz vor“, lächelte die Therapeutin, die als Leiterin der Gruppensitzung fungierte.
Er stellte sich an eine freie Stelle im Stuhlkreis und räusperte sich. „Ich bin Rin. Rin ist zwar ein Mädchenname, aber ich bin ein Junge.“ Es klang auswendig gelernt, als hätte er es vorher geübt oder schon zu oft gesagt.
„Hallo Rin“, begrüßte ihn die Gruppe im Chor. Ihm schien es etwas unangenehm zu sein, er senkte den Blick und setzte sich auf den freien Platz.
Aus irgendeinem Grund konnte ich den Blick nicht von ihm lösen. Es musste irgendwie an seinen Haaren liegen. Die Farbe löste etwas in mir aus. Oder war das er? Ich war verwirrt. Zum ersten Mal seit Langem war ich verwirrt. Ich merkte gar nicht, dass Verwirrung ein Gefühl war und ich demnach gerade etwas fühlte.
Stattdessen dachte ich mit einem Mal an die Sonne und ihr gleißendes Licht und das Gefühl, das sie früher für mich gehabt hatte.
Rin sah mich an, er hatte mein Starren wohl bemerkt. Ich sollte wegsehen. Doch ich tat es nicht. Ich stellte mir vor, dass sein Blick auf mir wie Sonnenstrahlen war, so wie sich Sonnenstrahlen früher angefühlt hatten. Sie hatten leicht gekribbelt und ein wenig gekitzelt. Sie war warm, schön und belebend gewesen.
Ich war noch immer verwirrt. Was war los? Warum dachte ich an so etwas, wenn ich diesen fremden Jungen ansah? Warum schien mir die Dunkelheit in diesem Moment genauso unbedeutend, wie sie sonst alles andere unbedeutend machte?
Lag es an seiner Person? Hatte er eine solch starke Präsens? Erinnerte er mich an irgendetwas, vielleicht das Magenta seiner Haare oder die rote Farbe seiner Augen?
Die Therapeutin forderte Rin auf, ein bisschen über sich zu erzählen und als er wegsah, schaffte auch ich es wegzusehen.
Benommen blinzelte ich. Wieder ein Gefühl, das ich in dem Moment nicht als solchen registrierte. Was war nur los?
Ich schaute mir die anderen Mitglieder der Gruppe an. Sie sahen Rin an. Natürlich, er sprach ja auch gerade. Ob er eine ähnliche Wirkung auf sie hatte, wie auf mich?
Ich wusste es nicht. Ich hatte noch nie viel andere Menschen beobachtet. Die meiste Zeit war ich stets mit meinem Inneren beschäftigt gewesen, auch wenn davon wenig nach außen gedrungen war. Deswegen hatten meine Mitmenschen auch erst so spät bemerkt, dass etwas mit meiner Psyche los war.
//
Eine Woche nachdem Rin in die Klinik gekommen war, boten sie eine neue Aktivität an. Die alte Schwimmhalle war renoviert worden, demnach hieß das neue Angebot ''Schwimmen''. Es wurde uns in einer Gruppensitzung mitgeteilt.
Aus irgendeinem Grund blickte ich nach der Verkündung zu Rin. Seine Augen glänzten oder strahlten sie? Wahrscheinlich eine Mischung aus Beidem. Ich hatte ihn in der einen Woche des öfteren beobachtet. Das war mein neues Hobby neben dem Aus dem Fenster Starren. Das neue Angebot freute ihn, aber es machte ihn auch irgendwie traurig. Ich fragte mich, warum.
Nach der Sitzung trug er sich für die neue Aktivität Schwimmen ein und verließ dann rasch den Raum. Ich blieb vor dem Zettel stehen. Es hatten sich noch ein paar andere eingetragen. Aber es waren noch nicht viele.
Meine Finger schlossen sich um den Stift, der neben dem Zettel an einen Faden gebunden an der Pinnwand hing. Ich schrieb meinen Namen unter den von Rin.
Zwei Tage später war es soweit – die erste Schwimmstunde. Ich konnte schwimmen. Immerhin lebte ich in Japan, was praktisch nur aus Inseln bestand. Aber ich war lange nicht mehr geschwommen. Das letzte Mal muss irgendwann im Urlaub mit meinen Eltern gewesen sein, als ich 10 war, glaube ich.
Die Schwimmsachen – Badehose, Taucherbrille und Badekappen – mussten wir kaufen. Die Leute, die für uns zuständig waren, waren darüber noch gestern per E-Mail benachrichtigt worden. Manche mussten auch selber bezahlen, weil sie schon erwachsen waren und die volle finanzielle Verantwortung für sich selbst trugen.
Der Trainer – ein richtiger Schwimmtrainer aus einem örtlichen Verein – wollte zuerst herausfinden, auf welchem Stand wir uns befanden und forderte uns auf, uns in Reihen aufzustellen und jeder sollte jeweils zwei Bahnen schwimmen.
Rin hatte sich in die Reihe am zweiten Startblock eingereiht, ich stand in der Reihe des Ersten. Ich zählte die Personen, die vor ihm und vor mir dran waren. Wir würden gleichzeitig schwimmen. Fast wollte ich lächeln, was wieder die Verwirrung auf den Plan rief. Warum interessierte es mich, ob ich mit diesem fremden Jungen gleichzeitig schwamm? Warum interessierte er mich überhaupt? Mich hatte ja schon lange nichts mehr interessiert.
Aber mich interessierte offenbar auch, warum Rin so gemischte Gefühle wegen dem Schwimmen hatte. Warum sonst hätte ich mich auch dafür eintragen sollen? Warum sonst beobachtete ich Rin ganz genau, als es an ihm war, auf den Startblock zu steigen und zu schwimmen?
Da seine Vorgänger insgesamt etwas schneller gewesen waren als meine, stieg er vor mir auf den Startblock. Er setzte seine Schwimmbrille auf und zerrte das Gummi am Hinterkopf nach hinten, sodass es, als er losließ, gegen seinen Hinterkopf schlug. Warum tat er das? Das tat doch sicher weh.
Viel wichtiger aber war, wie professionell seine Haltung war, als er sich auf dem Startblock positionierte. Er stand nicht einfach nur da, sondern platzierte einen Fuß vorne und einen hinten und die Hände schloss er vorne um den Startblock, sodass er nach vorne gebeugt war und sich abstoßen konnte.
Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen, dann könnte ich... könnte ich...
In der Sekunde, in der sein Vorgänger die Wand des Pools unter dem Startblock berührte, sprang Rin ins Wasser und ich hatte zwar keine Ahnung davon, aber seine Form sah perfekt aus. Er musste in der Schule schwimmen und bei Wettkämpfen dabei sein, denn er schwamm auch unfassbar schnell.
„Du bist dran“, meinte jemand hinter mir und ich zuckte leicht zusammen. Ich war so auf Rin konzentriert gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass mein Vorgänger bereits im Wasser war und sogar schon fast wieder zurück war. Rin hatte bereits über die halbe Bahn hinter sich gebracht.
Hastig stieg ich auf den Startblock und versuchte mich ähnlich zu positionierten wie er. Ich sprang, als ich glaubte, dass mein Vorgänger die Poolwand unter mir berührte.
Plötzlich umgab mich das kühle Nass des Wassers und ich erschrak, weil es sich so real, so echt anfühlte. Nichts daran war dumpf und nichts daran war dunkel. Es fühlte sich... gut an. Automatisch begann ich zu kraulen, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes gemacht.
Ich sah Rin an mir vorbei schwimmen. Unsere Blicke trafen sich kurz und da war Sonne in seinen Augen. Sonne im Sinne von einem begeisterten, erfreuten Strahlen. Und er lächelte. Ich war mir sehr sicher, dass er lächelte.
Doch der Moment war furchtbar schnell vorbei und ich schwamm weiter und wäre fast gegen die Poolwand auf der anderen Seite gestoßen. Wie man professionell die Richtung wechselte, wusste ich nicht. Das hatte ich bei Rin nicht gesehen, weil ich da schon im Wasser gewesen war. Irgendwie bekam ich es hin und schwamm zurück auf die Seite, von der ich gekommen war.
Es fühlte sich so leicht, so natürlich an – das Schwimmen. Wie atmen. Ich musste nicht groß darüber nachdenken. Ich tat es einfach. Und doch war es so viel realer, als zu atmen. Dass man atmete, bemerkte man oftmals nicht, derartig reflexhaft lief es ab. Schwimmen war da eher mit Laufen zu vergleichen. Bloß das Schwimmen sich eher wie Schweben anfühlte. Laufen war oft anstrengend. Einen Fuß vor den anderen zu setzen, war mühsam. Zu schwimmen fühlte sich an als würde man auf einer Wolke über die Welt gleiten.
Ich wollte gar nicht wieder aus dem Wasser raus und blieb kurzerhand noch ein bisschen im Pool. Allerdings musste ich raus, bevor die Person nach mir fertig war, also hievte ich mich gezwungenermaßen aus dem Wasser. Ich mochte es, wie es von mir abperlte und wie die Nässe meine Haare auf meine Haut presste. Ich mochte alles daran.
Ähnlich erschrocken, wie ich gewesen war, als ich ins Wasser eingetaucht war, war ich auch jetzt, als mit einem Mal Rin vor mir stand. Er lächelte mich an. Sein Lächeln war unglaublich. Es war wie die Sonne und seine Augen strahlten mit ihm um die Wette.
„Du schwimmst echt unglaublich. Bist du an deiner Schule im Schwimmclub?“, fragte er direkt heraus. So war er, direkt. Das hatte ich in der letzten Woche, als ich ihn beobachtet hatte, herausgefunden.
Ich brauchte einen Moment, bis ich antworten konnte. „Nein, ich bin noch nie in einem Schwimmclub gewesen. Du bist aber in einem, oder?“
„Ja, in der Schule“, erwiderte er sogleich. Das war das erste Mal, dass wir miteinander sprachen und wir redeten lange und viel, nach den zwei Stunden Schwimmen versteht sich.
//
Nachdem wir das erste Mal miteinander geredet hatten, tat es wir es öfter und mehr und immer öfter und immer mehr. Wir wurden Freunde.
Wie so vieles, merkte ich das zuerst gar nicht. Aber als wir eines Tages nach dem Mittagessen durch den kleinen Park, der zur psychiatrischen Klinik gehörte, spazierten und uns dabei unterhielten, fühlte ich die Sonne.
Seit Rin und ich das erste Mal miteinander gesprochen hatten, hatte es viel geregnet und die Sonne hatte sich kaum gezeigt, obwohl Sommer war. Mich hatte es nicht weiter gestört, so wie nichts mich eigentlich sonderlich störte, seit alles dunkel war.
Doch es war nicht länger dunkel, stellte ich jetzt fest. Ich fühlte die Sonne und als ich aufblickte und den Kopf in den Nacken legte, um hoch in die Sonne zu sehen, war sie hell. Nichts an ihr war dunkel. Zittrig atmete ich ein.
„Haru? Alles in Ordnung?“ Wie ich war Rin stehen geblieben. Wegen mir war er stehen geblieben. Ich wandte mich ihm zu und lächelte. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit lächelte ich.
Rin blieb der Atem weg. Das sah ich daran, wie er einmal tief einatmete und danach nicht mehr ausatmete. Seine Lippen teilten sich, während er mich starrte. Und ich konnte nur lächeln. Ich lächelte und lächelte und lächelte. Mit einem Mal wollte ich weinen.
Kurz bevor ich in Tränen ausbrechen konnte, legten Rins Hände sich um mein Gesicht. Sein Gesicht kam näher. Ich hatte nicht genug Zeit, um mich zu fragen, was er vor hatte, denn da lagen seine Lippen schon auf meinen.
Wie als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, war ich zuerst verwirrt. Doch gleich darauf durchströmte mich ein warmes Gefühl von Lebendigkeit. Das war das Stärkste, das ich seit einer unendlich langen Zeit gefühlt hatte. Vielleicht das Stärkste, was ich jemals gefühlt hatte. Seine Lippen waren so weich und passten wunderbar auf meine und seine Zunge war warm und schlüpfrig, aber auch vorsichtig und zärtlich.
Ich schmiegte mich an ihn, legte die Hände auf seine Brust, grub die Finger in sein Oberteil und es kam mir vor, als wäre die Sonne, die oben am Himmel so hell schien und deren Strahlen so kribbelnd und kitzelnd auf meiner Haut waren, jetzt in mir drin. Denn es kribbelte nicht bloß meine Haut. Alles kribbelte und alles war hell.
//
Einige Tage später saßen wir auf einer Bank in dem Park. Die Sonne schien wieder und es war angenehm warm. Unsere Hände lagen verschränkt zwischen uns und wir hingen jeder seinen eigenen Gedanken nach. Ein bisschen wartete ich darauf, dass er mich fragte, was ich dachte. Wenn er es gleich nicht tat, würde ich ihn fragen.
Doch ich musste ihn gar nicht fragen, denn keine Sekunde später sagte er mir, was er dachte. „Ich wäre jetzt gerne mit dir am Strand“, meinte er, wandte mir sein Gesicht zu und lächelte. Er hatte das schönste Lächeln überhaupt.
Ich lächelte etwas verhalten zurück und meine Wangen wurden warm, weshalb ich meinen Blick auf unsere Hände senkte. Bevor ich etwas erwidern konnte und ich wollte eigentlich etwas erwidern, ich wusste nur nicht was, redete er weiter.
„Wir würden den warmen Sand unter unseren Füßen spüren und wir würden im Meer schwimmen und die Sonne im Wasser versinken sehen.“
Als ich wieder zu ihm rüber sah, schaute er verträumt in die Ferne. Doch er bemerkte meinen Blick und sah wieder mich an und lächelte.
Anstatt etwas auf seine Worte zu erwidern, lehnte ich mich zu ihm rüber und küsste ihn. Küsse sagten mehr als Worte, so viel mehr.
Wir küssten uns eine kleine Weile, bis Rin wieder etwas sagte. „Haru, wenn wir hier raus sind, lass uns zusammen ans Meer fahren, ja?“
Ich nickte. „Das klingt wundervoll.“ Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und betrachtete die tiefstehende Sonne. Sie war noch immer hell. Alles war hell. Rin war hell. Er war meine Sonne.
//
Drei Wochen später wurde Rin aus der psychiatrischen Klinik entlassen. Er verabschiedete sich mit den Worten, dass er seine schnelle Heilung vor allem mir zu verdanken hatte, was ich überhaupt nicht glauben konnte, aber Rin war ein durch und durch ehrlicher Mensch und er strahlte, als er es mir sagte. Demnach musste es die Wahrheit sein.
„Bald kommst du auch hier raus und dann fahren wir zusammen ans Meer“, lächelte er und küsste mich lange, bevor er ging.
Dann war er weg.
Und die Sonne, meine Sonne mit ihm.
Es wurde wieder dunkel, sehr viel schneller, als mir lieb war. Durch Rin, der mich wieder lebendig, mir wieder Farben und Gefühle geschenkt hatte, hatte auch endlich die Therapie bei mir angeschlagen. Ich hatte einen Grund gehabt, ein Ziel und vor allem hatte ich wieder einen Sinn in allem gesehen. Und ich wollte schwimmen. Am liebsten wollte ich schwimmen und nie mehr damit aufhören.
Es lief also gut und auch nachdem Rin weg war, lief es eine kleine Weile noch gut.
Aber dann kam die Dunkelheit zurück. Wie als es damals angefangen hatte, überkam mich Angst und ich erzählte meinem Therapeuten davon. Ich erzählte sogar in der Gruppe davon, obwohl ich nicht unbedingt der Gruppenmensch war. Nur Rin, mit dem ich jeden zweiten Tag telefonieren durfte, erzählte ich nicht davon.
Vielleicht war das der Fehler, denn nichts konnte die Dunkelheit aufhalten. Alles verlor wieder an Farbe und ich verlor meine Gefühle. Die Dunkelheit war schrecklich. Ich empfand sie nicht als schrecklich, weil sie mir meine Gefühle nahm. Aber anhand von allem, was ich vorher so intensiv gefühlt hatte und an das ich mich noch ganz klar erinnern konnte, wusste ich, wie schrecklich die Dunkelheit, dieses Nichts war.
Ich wollte die Dunkelheit nicht, wollte dieses Nichts, diese Bedeutungslosigkeit nicht. Ich wollte Helligkeit. Ich wollte Sonne. Ich wollte Rin.
Aber Rin war weg. Die Sonne, meine Sonne war untergegangen.
//
Es dauerte fast zwei Monate, bis meine Sonne wieder aufging.
Rin war auf ein spezielles Schwimminternat in Australien gegangen und konnte mich deshalb nicht besuchen kommen. Wenn wir telefonierten, hatte er immer viel zu erzählen.
Während dieser Telefonate fühlte ich ein wenig. Ich freute mich ehrlich für ihn und ich vermisste ihn, sehnte mich nach dem Licht seiner Sonne.
Aber er war weit weg und vielleicht würde ich ihn nie wiedersehen, nie wieder die Sonne in mir spüren. Einzig die Tlefonate, wenn ich seine Stimme hörte, ließen mich zumindest ein klein wenig weitermachen – weiter essen, weiter schlafen, weiter schwimmen und vielleicht sogar ein klitzekleines bisschen hoffen.
Ich war, wie so oft, mit aus dem Fenster starren beschäftigt, als es eines Nachmittags an meiner Zimmertür klopfte. „Herein“, sagte ich und drehte mich zur Tür. Ich riss die Augen auf. Rin stand im Türrahmen und lächelte mich mit seinem strahlenden Lächeln an. Es war, als würde die Sonne aufgehen, meine Sonne.
Ich sprang auf, lief zu ihm, schlang die Arme um ihn und drückte mein Gesicht an seine Brust. Die Tränen konnte ich nicht halten, zu heftig und intensiv waren die plötzlichen Gefühle. Rin streichelte mir übers Haar und küsste schließlich meine Stirn, dann meinen Mund. Es war, als würden seine Sonnenstrahlen auf mich übergehen und ein Feuer in mir wieder entfachen, mein Lebensfeuer.
„Komm mit“, flüsterte er an meinen Lippen, die ich nur widerwillig von seinen löste.
„Wohin?“ Eigentlich war es egal, ich würde überall mit ihm hingehen.
„An den Strand“, lächelte er.
Ich presste meine Lippen kurz wieder auf seine, überglücklich. Dann löste ich mich von ihm und packte ein paar Sachen in einen Rucksack. Wir schafften es, uns am Empfang vorbei zu schleichen und keine zehn Minuten später saßen wir in einem Bus Richtung Meer.
Die Sonne schien, ich fühlte sie auf meiner Haut und sah den blauen Himmel. Rin verschränkte unsere Hände miteinander und ich schaute ihn an, sein Strahlen und strahlte zurück. Erneut küssten wir uns. Danach legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und nahm ihn nicht mehr hoch, bis wir das Meer erreichten.
//
Das Meer war das Lauteste, was ich je gehört und das Wunderschönste, was ich je gesehen hatte.
Natürlich war ich schon viele Male zuvor am Meer gewesen und es war immer schön gewesen. Aber heute sah ich es zum ersten Mal richtig. Besonders das Wasser sah ich zum ersten Mal, so wie es war. Früher hatte ich es nicht auf die Weise wahrgenommen, wie ich es jetzt tat. Ich hatte es nicht als das gesehen, was es war – meine Bestimmung, in gewisser Weise.
Ich lächelte bei dieser Erkenntnis. Rin neben mir war auch am Lächeln. Wir liefen Hand in Hand. Die Schuhe hatten wir ausgezogen und in meiner Tasche verstaut. Mir kribbelte es in den Fingern, meine Klamotten auszuziehen und ins Meer einzutauchen. Die Schwimmhosen hatten ich und Rin schon drunter. Doch für den Moment hatten wir bloß unsere Hosen hochgekrempelt und ließen das Meerwasser an unseren Füßen lecken.
„Du siehst wunderschön aus, wenn du glücklich bist“, sagte Rin.
Ich spürte seinen Blick auf mir und erwiderte ihn, lächelte ihn an. „Das habe ich dir zu verdanken.“
Rin schüttelte mit dem Kopf. „Durch dich habe ich es geschafft, mich wieder zusammenzusetzen, aber letztendlich habe ich es selbst getan und das musst du auch, Haru.“ Mit einem Mal war er sehr ernst und ich wusste, dass jemand ihm erzählt hatte, wie schlecht es mir in der letzten Zeit ergangen war. Aber ich war nicht verärgert deswegen. Ich hätte Rin selbst davon erzählen sollen. Er war der Einzige, der mich wirklich verstand.
„Ich weiß“, erwiderte ich, ebenso ernst. „Ich weiß bloß noch nicht wie.“
„Das Warum zählt mehr als das Wie. Denke an das Warum und du wirst jedes Wie meistern“, meinte er und lächelte etwas verlegen. „Das hat mir meine Therapeutin mal gesagt.“
„Klingt gut“, gab ich zurück und schaute hoch in die Sonne, allerdings nur kurz. Gleich danach fiel mein Blick wieder auf das Meer, dessen Wasser in der Sonne glitzerte. „Ich glaube, ich kenne jetzt mein Warum.“
Ich sagte es Rin nicht gleich und er fragte nicht gleich. Doch später, als wir schwammen und uns im Wasser küssten, sagte ich es ihm. „Es ist das Wasser. Das Wasser ist mein Warum. Auch du bist mein Warum, meine Sonne, aber das Wasser ist meine Luft und mein Antrieb, meine Bestimmung. Ich werde schwimmen. Wir werden zusammen schwimmen.“
Rin lächelte, führte unsere Lippen wieder zusammen und sagte: „Ja, das hört sich richtig an.“
Wir blieben bis zum Sonnenuntergang, als der Tag in den wundervollsten, buntesten Farben der Nacht wich. Doch mit der Sonne am Himmel ging meine Sonne nicht unter und selbst als die Farben verschwunden waren, konnte ich sie noch ganz deutlich fühlen. Auch als Rin wieder nach Australien ging und meine persönliche Sonne somit weg war, ging meine Sonne nicht unter und auch die Farben verblassten nicht, denn ich hatte meine eigene, innere Sonne gefunden und würde sie nie wieder untergehen lassen sowie ich die Farben immer in mir bewahren würde.

Sonntag, 3. Mai 2015

52/52 Challenge: Wir haben jetzt

Und hier ist dann auch schon die Nr. 21.
Bald muss ich mal nachlegen mit dem Schreiben.^^
Wieder Fanfiktion, dieses Mal Attack on Titan, Ereri.

Wort: Gegenwart
Wörter: 892


Wir haben jetzt

Erens Sicht
Keine Ahnung, wann es passiert war oder wie. Es war einfach passiert, denke ich. Rückblickend weiß ich wirklich nicht mehr, wie es genau dazu kam. Aber so war das mit den meisten Dingen, oder? Sie passierten einfach und keiner wusste, wie genau oder warum.
Eigentlich wusste ich natürlich schon, was für Anzeichen da gewesen waren. Aber ich hatte immer gedacht, dass ich es mir einbilden würde. Warum sollte Heichou auch etwas von mir wollen? Ausgerechnet von mir. Ich hatte mir das einfach nicht vorstellen können. Ich konnte es mir noch immer nicht richtig vorstellen. Zumindest nicht, dass es ihm ernst war.
„Woran denkst du?“ Levi bewegte sich neben mir im Bett. Ich konnte spüren, dass er mich ansah.
„Nichts bestimmtes“, murmelte ich, schielte zu ihm rüber und schaute wieder weg.
„Erzähl mir davon“, bat er. Als ich wieder zu ihm rüberblickte, lag er auf der Seite, den Kopf auf eine Hand gestützt. Er sah mich abwartend an.
„Es ist nichts, wirklich. Ich habe einfach an nichts gedacht“, versuchte ich mich rauszureden und schaute schnell wieder weg, als meine Wangen warm wurden. Immer musste mein Körper mich verraten. Auch damals, als wir das erste Mal miteinander geschlafen hatten. ''Dein Körper verrät dich'', hatte er gesagt, als ich gemeint hatte, dass ich keinen Sex mit ihm wollte. Seitdem benutzte er diesen Satz ständig. Und er hatte Recht, jedes Mal.
Auch dieses Mal sagte er es: „Eren, der Körper verrät dich. Erzähl mir, woran du gedacht hast.“ Seine Stimme war sowohl sanft als auch eindringlich, fast neckend. Aber es lag auch Ernsthaftigkeit in seinen Worten. Er wollte mich nicht bloß ärgern.
„Okay“, murmelte ich und drehte mich ebenfalls auf die Seite, um ihn ansehen zu können. Meine Wangen wurden immer wärmer und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Plötzlich wollte ich weinen. Bisher hatte ich noch nie vor ihm geweint und ich hatte es auch eigentlich nicht vor. Vor allem nicht jetzt und nicht, wenn ich nicht einmal wusste, warum ich weinen wollte.
„Hey.“ Er berührte meine Wange und strich mit dem Daumen rüber. „Du musst nicht, wenn du nicht willst. Ich war nur neugierig.“ Am Anfang hatte es mich sehr überrascht, wie sanft, mitfühlend und verständnisvoll er sein konnte. Er konnte auch fordernd und ziemlich gemein und brutal sein, das war er die meiste Zeit. Aber in Momenten wie diesen, den Momenten unserer Zweisamkeit, in denen nur wir beide existierten, sah er mich liebevoll an und behandelte mich, wie etwas besonderes und kostbares. Wie etwas, dass er liebte.
Ich schluckte, spürte seine Berührung auf meiner Wange, schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. „Doch“, meinte ich. „Doch, ich will es dir erzählen.“
Sein Gesicht war meinem so nahe. Ich holte tief Luft und sprach es aus: „Ich hab an den Anfang gedacht. Den Anfang, von dem hier, von-von... uns. A-A-An unsere erste Nacht.“
Ein Lächeln trat auf Levis Gesicht. Das war so selten, dass ich für ein paar Sekunden komplett aufhörte zu atmen. Er beugte sich vor und küsste mich, ein zärtlicher und sehr kurzer Kuss, auf den ich kaum reagierte.
„Und woran genau?“, fragte er. War da ein rauchiger Unterton in seiner Stimme? Manchmal hatte ich das Gefühl, dass da nie kein rauchiger Unterton in seiner Stimme war. Vielleicht war es einfach seine Stimme.
„N-Nicht was du denkst“, brachte ich hervor.
„Woran denke ich denn?“ Jetzt grinste er, die kleine Andeutung eines Grinsen in seinen Mundwinkeln. Jetzt neckte er mich. Aber dennoch war es ihm nach wie vor ernst. Eigentlich war ihm immer so gut wie alles ernst.
„Ich-Ich weiß nicht. Ich habe daran gedacht, was du danach gesagt hast.“ Mein Blick war jetzt gesenkt, auf seine Brust gerichtet.
„Was habe ich denn gesagt?“, fragte er nach und klang etwas verwirrt. Er schien es tatsächlich nicht zu wissen. Ich blickte wieder auf, schaute in seine Augen, sah direkt hinein und spürte mein Herz wild pochen. „Ich hab dich gefragt, was du von mir willst und warum und überhaupt. Ich weiß noch jedes Wort. Du meintest-“
Weißt du, Eren, wir können uns nie sicher sein, was als nächstes passiert. Wir könnten in der nächsten Sekunde tot sein und damit meine ich jede Sekunde. Jede einzelne. Wir haben jetzt, das ist alles, was wir haben. Und ich will jetzt dich. Warum also sollte ich zögern? Warum sollte ich mich dagegen wehren? Warum sollten wir nicht zusammen sein, wenn wir es beide wollen? Viele unserer Wünsche können wir uns in der heutigen Zeit nicht einfach erfüllen. Solange wir es noch können, sollten wir uns die Wünsche erfüllen, die wir uns erfüllen können.“ Wir sprachen gemeinsam, er und ich. Ein verträumtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Für ihn war die Erinnerung genauso schön, wie für mich.
„Da habe ich dich das erste Mal lächeln sehen“, sagte ich leise und er zog mich in seine Arme, drückte mich an seine Brust.
„Vergiss das, was ich dir in der Nacht gesagt habe, niemals. Wir haben jetzt. Wir haben nur jetzt. Wir wissen nicht, was der nächste Moment bringt. Was auch immer du dir wünscht, erfülle es dir, wenn es etwas ist, dass du dir erfüllen kannst. Tue es. Morgen wirst du vielleicht nicht mehr die Gelegenheit dazu haben.“
Ich nickte, schloss die Augen, schmiegte mein Gesicht an seine Halsbeuge. „Ich werde dran denken.“

Anime: Haikyuu

Dear Anime.


Ich weiß schon, warum ich mir so viel Zeit beim Schauen, vor allem der letzten Folgen, gelassen habe... Ich vermisse dieses Anime! D':
Aber es wird ja Filme geben, oder? Irgendwie sowas hab ich mal gesehen gehabt.

Kurzbeschreibung:
Ein bestimmtes Ereignis weckte in Shouyou Hinata die Liebe zum Volleyball. Sein Team hatte kaum Mitglieder, hat es aber dennoch irgendwie geschafft bis zum ersten regulären Spiel ihrer Mittelschule zu bestehen. Bei ihrem ersten und letzten Spiel wurden sie von Tobio Kageyama, dem Spieler mit dem Titel "König des Feldes", vernichtend geschlagen. Hinata schwört sich in der Highschool Rache an Kageyama zu nehmen und fängt an hart zu trainieren und zu lernen, damit er an seiner Wunsch-Hochschule angenommen wird. Als er dann endlich dem Volleyball-Club der Karasuno-Highschool beitritt, muss er feststellen, dass er nun mit Kageyama im selben Team spielt.

Irgendwie ist da am Anfang der Kurzbeschreibung bei der Übersetzung was durcheinander geraten!? Oder sie haben's einfach nur komisch beschreiben...
Na, ist ja auch egal. Wenn man's schaut, weiß man es dann ja und wenn man's nicht schaut, will man es wohl nicht wissen.

Story:
Viel Training, später Turnier und viel Humor. Das fasst es eigentlich schon sehr gut zusammen. :'D
Also wenn man mal von den Charakterentwicklungen absieht und die beschreibe ich ja erst gleich.
Es ist ein Sportanime und da geht es eben um Sport, also Training und Turniere, Testspiele, Teamgeist, Rivalen.
Man bekommt gute Einblicke in den Sport Volleyball, wie das so alles funktioniert und was es für Strategien gibt.
Ich hab echt wenig zu diesem Punkt zu sagen.^^
Gut, die Charakterentwicklung prägt die Story eben noch einmal ungemein.

Charaktere(ntwicklung):
Am Anfang ist es mir ein bisschen schwer gefallen, sie alle auseinander zu halten, weil sich doch viele ziemlich ähnlich sehen, aber nachdem man die meisten etwas besser kennengelernt hatte, ging es und am Ende konnte ich eigentlich alle klar voneinander unterscheiden.
Ich finde es bei Sportanimes immer toll zu sehen, dass jeder eine andere Stärke hat, eine andere Rolle einnimmt, ein Teil des Ganzen ist.
Bemerkenswert ist auch immer dieser Wille nicht aufzugeben. Asahi, der zuerst aufgegeben hatte, ist dafür auch noch einmal ein tolles Beispiel, eben weil er schon aufgegeben hatte. Doch die anderen schaffen es, ihn zurück ins Team zu holen und ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist, nicht alleine die Verantwortung trägt.
Das wäre auch schon der andere Punkt – der Teamgeist. Bei Kuroko no Basket ist es wirklich sehr toll gemacht, in dem Kuroko die Generation der Wunder davon zu überzeugen versucht, dass Teamplay das einzig wahre Basketball ist. Bei Haikyuu zeigt sich auch immer wieder, dass das Team sich zum Sieg führt und nicht eine einzelne Person.
Vor allem Kageyama muss das lernen und das tut er auch durch Hinata, der ihm einfach so vertraut. Es ist echt schön und vor allem lustig zu sehen, wie Kageyama sich langsam verändert.
Aber auch die anderen Charaktere haben jeder so seine Geschichte, es ist eigentlich alles dabei. Auf ein paar Leute wird nicht genauer eingegangen, aber ich hoffe, das kommt noch, weil sie irgendwie wirklich alle ziemlich interessant sind.

Ja, ähm, zu Teamgeist und so hab ich schon was geschrieben...
Bin ich jetzt ernsthaft schon fertig? o.o

Fazit:
Okay, ich finde meine Kommentare ja manchmal selber irgendwie doof. :'D Na ja, es ist halt wie es ist.
Ich mag den Anime sehr. Ich hab eh so eine gewisse Liebe für Sportanimes anscheinend. Sie sind einfach immer sehr schön spannend, lustig und man kann gut Shippen. :D Auch die Charakterentwicklungen sind toll und ja, wer Sportanimes mag oder einfach Spannung und Humor will, sollte es sich angucken.





Ich liebe solche Bilder. :D
Und ja, ähm, das musste sein.^^


Samstag, 2. Mai 2015

52/52 Challenge: Tropfen für Tropfen

Nr. 20! \o/
Okay, ja, es ist immer noch eine Menge übrig, aber etwas Zeit habe ich ja noch und ich habe schon bis 27 geschrieben.
Der Titel verrät auch mal gar nicht, um welches Wort es geht. ;D
Ist übrigens wieder Fanfiktionzeug und ja, wieder Free!, aber mal ein etwas anderes, etwas ungewöhnliches Pairing, das mir aber einfach mit dieser Idee nicht aus dem Kopf ging.

Wort: Tropfen
Wörter: 2086


Tropfen für Tropfen

Rins Sicht
Wir waren auf dem Weg zur Wohnung gewesen und hatten in dem neuen Auto, das wir uns gerade gekauft hatten, gesessen und rumgealbert. Wir hatten gelacht, uns über unser neues Leben gefreut, waren glücklich gewesen. Morgen würden wir heiraten. Wir würden morgen endlich heiraten und dann würde uns nichts und niemand mehr trennen und wir würden ein glückliches Leben führen, weil wir einander hatten und dann irgendwann würden wir glücklich sterben, Arm in Arm.
Wie naiv und kindisch. Es war wirklich verdammt naiv und kindisch, doch Sei hatte, nachdem ich ihm von meinen Zukunftsgedanken erzählt hatte, gelacht und dann gelächelt und gesagt, dass diese naiv-kindliche Art an mir zu den Gründen zählte, wegen denen er mich liebte. Dann hatte er noch hinzugefügt, dass er auch solche romantisch-kitschigen Vorstellungen hatte. „Wir werden diese Vorstellungen zu unserem Leben machen“, hatte er am Ende geflüstert und mich sanft geküsst.
An das und an noch viel mehr, alles, was mir miteinander gehabt hatten, dachte ich. Bis es plötzlich weg war und ich benommen die Augen aufschlug. Über mir sah ich den Himmel. Der Untergrund, auf dem ich lag, war hart. Mein Körper fühlte sich seltsam an. Ich verzog das Gesicht und senkte den Blick. Meine Sicht war verschwommen. Ich blinzelte, konnte aber nur Umrisse ausmachen. War ich auf einer Straße? Warum lag ich auf einer Straße?
Ich versuchte mich aufzusetzen, aber mein Körper reagierte nicht so, wie er sollte und als er irgendwie reagierte, tat es weh. Alles tat weh. Ich ließ meinen Kopf zurück auf den Asphalt sinken und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Dumpf vernahm ich Stimmen, Rufe und Schreie. Was war nur los?
Ich wollte die Augen schließen und wieder an Sei denken. Sei... Hatten wir nicht gerade eben zusammen im Auto gesessen?
Verwirrt ließ ich die Hand wieder von meinem Gesicht gleiten, um einen erneuten Versuch, meine Umgebung zu erkennen, zu unternehmen. Dabei fiel mir etwas auf meiner Hand auf und ich riss sie wieder hoch, hielt sie mir vor die Augen. Da war etwas auf meiner Hand. Ich berührte die Stelle mit einem Finger meiner anderen Hand. Blut. Ein Tropfen Blut.
Ich schnappte nach Luft und wollte mich erneut aufsetzten. Einen Unfall. Wir hatten einen Unfall gehabt. Der Typ, der neben uns gefahren war und ein LKW, der, aus welchem Grund auch immer, überholt hatte... Sei. Wo war Sei?
//
Sei war okay. Der Fahrer des anderen Autos war okay. Der LKW Fahrer war sowieso okay, dieser Arsch. Ich war nicht okay. Ich war absolut nicht okay.
Mein Gesicht war zum Fenster gedreht. Es regnete und die Tropfen flossen die Scheibe hinab. Wie Tränen, dachte ich. Und dann dachte ich an den Blutstropfen auf meinem Handrücken kurz nach dem Unfall. Ich wollte die Augen schließen und es ausblenden, aber hinter geschlossenen Lidern würde ich den Unfall nur noch realer vor mir sehen.
„Mr. Matsuoka, hören Sie mir zu?“, fragte der Arzt, der am Fußende meines Bettes stand. Ich wollte ihn nicht ansehen. Ich wollte auch Seijuro links neben mir nicht ansehen. Ich wollte nicht einmal die am Fenster hinablaufenden Regentropfen ansehen. Aber irgendetwas musste ich ja gezwungenermaßen ansehen und die regennasse Scheibe war da noch die beste Option.
„Rin“, sagte Sei sanft und griff nach meiner linken Hand, drückte sie. Ich zog sie ihm weg und ballte sie zur Faust. Tränen traten mir in die Augen. Aber ich würde nicht weinen. Ich würde nicht weinen! „Rin“, wiederholte er und ich wusste ganz genau, wie traurig und besorgt er schaute und ich hasste es und ich hasste mich dafür, dass ich es hasste. Was konnte er denn dafür? Nichts. Absolut nichts.
Ich gab einen unterdrückten Laut von mir, ein Schniefen, das ursprünglich ein Schluchzen hatte sein wollen.
„Wir werden das schon schaffen, Rin. Immerhin bist du am Leben. Dass ist es doch, was-“
„Halt die Klappe, Mikoshiba!“, stieß ich hervor und wandte ihm und dem Arzt mein Gesicht zu. „Halt verdammt nochmal die Klappe. Was du da sagst, ist nicht hilfreich!“ Seijuro war erschrocken verstummt und sah nun noch trauriger und besorgter aus, als zuvor in meiner Vorstellung.
Ich wollte den Kopf erneut wegdrehen, stattdessen richtete ich meinen Blick nun auf den Arzt.
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich meine Beine jemals wieder spüren werde?“, fragte ich direkt, mein Gesichtsausdruck hart und verbissen, damit ich ja nicht anfing, zu weinen. Denn wenn ich anfangen würde zu weinen, wäre alles vorbei. Dann würde ich komplett zusammenbrechen. Nicht zu weinen, war der eine letzte Strohhalm, an dem ich festhielt.
„Doktor, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit?“, wiederholte ich, als er mir nicht gleich antwortete.
„Nun ja, das lässt sich schwer sagen. Vieles lässt sich erst nach einiger Zeit beurteilen und der Körper ist manchmal zu wahren Meisterleistungen im Stande“, faselte der Arzt.
Ich verdrehte die Augen. „Sagen Sie's doch einfach! Die Wahrscheinlichkeit für vollständige Heilung ist verschwindend gering, oder? Sagen Sie's!“
„Wenn Sie von einer vollständigen Heilung sprechen, dann ja, das passiert nur in sehr wenigen Fällen.“ Der Arzt sprach noch weiter, erzählte was über Möglichkeiten, Therapie und Reha und was nicht alles. Ich hörte nicht zu.
//
Ich war nicht lange in Reha, etwa ein halbes Jahr. Ich hatte es da einfach nicht ausgehalten. Ich hielt auch die Therapie kaum aus. Ich ließ es alles über mich ergehen, aber mit zusammengepressten Lippen und einer durch und durch negativen Einstellung. Manchmal wünschte ich mir selber, dass ich anders denken würde. Vielleicht wäre es dann leichter. Doch dann dachte ich, wie so etwas jemals irgendwie leichter sein konnte. Konnte es nicht. Es war scheiße. Es war schrecklich. Punkt.
Daran mich umzubringen, dachte ich nicht. Selbst für den Gedanken war ich schon zu feige. Nein, ich war eher die Art Mensch, die sich für ihre Schwäche hasste, aber trotzdem nichts dagegen tat. Ich tat nichts, weil ich nicht konnte. Ich konnte nicht.
Ein paar Dinge konnte ich zum Glück doch. Ich konnte meine Beine nicht benutzen und was Sex betraf, ging gar nichts. Aber alles andere konnte ich noch ziemlich gut. Manches sogar besser, als vorher, aber das waren verschwindend wenige Dinge und nicht wirklich Dinge, auf die man stolz sein konnte. In erster Linie zählte zu diesen Dingen nämlich das Trinken von Alkohol.
Sobald ich in meinem Hass auf meinen Selbsthass zu ersticken drohte, griff ich zur Flasche. Anfangs waren es wirklich Ausnahmen, wirklich. Aber dann wurde es zur Gewohnheit und es ging soweit, dass ich trank, weil ich dachte, dass ich mich dann weniger hassen würde, obwohl ich mich tatsächlich für das Trinken noch mehr hasste.
Seit dem Unfall lief es zwischen Sei und mir sehr schlecht. Als er jetzt, es war fast fünf Uhr morgens, völlig verschlafen, zu mir an den Tisch kam, machte sich Wut in mir breit. Wut und Hass, das schien alles zu sein, was ich noch an Emotionen besaß. Und natürlich die alles zerfressende Traurigkeit und die alles vernichtende Verzweiflung. Die letzteren beiden versteckte ich, so gut es ging, vor allen. So wie ich im Krankenhaus nicht hatte weinen wollen, war das verbergen dieser zwei Gefühle für mich der eine einzige Strohhalm, an den ich mich klammerte.
Seijuro nahm seufzend mir gegenüber Platz und zog die Flasche Wodka zu sich, weg von mir. Wodka war am besten, betäubte am schnellsten. Leider hatte es nicht mehr die Wirkung wie am Anfang.
„Du sitzt hier seit fast einer Stunde“, meinte er.
Ich streckte die Hand nach der Flasche aus. „Nur noch ein Tropfen“, versicherte ich ihm, was aber natürlich eine Lüge war. Aber ich brauchte es! Ohne den Alkohol... Ohne ihn würde ich total zusammenbrechen. Ohne ihn würde ich die Traurigkeit und die Verzweiflung nicht länger verbergen können. Ohne ihn wäre alles zu Ende.
„Du bekommst nichts mehr“, sagte Seijuro entschieden.
„Du hast kein Recht, es mir zu verbieten!“, sagte ich verärgert.
„Doch habe ich. Als dein fester Freund, der dich liebt, habe ich sogar die Pflicht, dich vor dir selbst zu beschützen“, gab er zurück und ich hasste es, wie ernst und ruhig er aussah. Obwohl ich die Traurigkeit und die Sorge in seinen Augen, die ich zu Anfang immer gesehen hatte, auch gehasst hatte, hasste ich die Kühle, die jetzt schon seit geraumer Zeit immer sein Gesicht beherrschte, noch viel mehr. Und wieder hasste ich dadurch auch mich, denn ich hatte ihn zu dieser Kühle getrieben.
„Mikoshiba, gib mir die Flasche zurück!“, forderte ich wütend. Wenn ich trinken wollte, trank ich. Da hatte er gar nichts zu melden! Hatte er sowieso nicht, nicht mehr. Er hielt sich ja aus allem raus, zog sich mehr und mehr zurück. Wenn er dann mal einschritt, waren es Momente wie diese, wo er mich einfach in Ruhe lassen sollte. Verdammte Scheiße.
„Nein“, war seine entschiedene Antwort, sein Gesicht unbewegt.
„Gut, schön, dann eben nicht. Dann eben nicht! Heute nichts mehr zu trinken, wird mir auch nicht helfen. Es wird mir auch nichts helfen, so wie gar nichts mir helfen kann!“ Ich schrie und gleich würde ich weinen. Bevor das passierte, rollte ich, so schnell ich konnte, in mein Zimmer. Ich hasste es, dass es solange dauerte, hasste den dämlichen Rollstuhl. Hasste einfach alles.
//
Ich hasste auch noch alles, als ich ein paar Wochen später vom Einkaufen nach Hause kam. Einkaufen gefahren war ich schlicht aus dem Grund, dass ich es in der beschissenen Wohnung nicht mehr ausgehalten hatte. Ich hielt es eigentlich keine Sekunde dort aus. Es war schrecklich. Alles war schrecklich und scheiße. Aber da es auch überall anders schrecklich und scheiße war, machte es die meiste Zeit nun auch nicht wirklich einen Unterschied, wo meine Existenz denn nun schrecklich und scheiße war.
Doch heute hatte ich einfach rausgemusst und eine Aufgabe gebraucht. Aufgaben waren wichtig, das sagte meine Therapeutin immer. Es war mir egal. Ich hatte bloß nicht gewollt, dass Mikoshiba mich schreien und weinen hört. Alles, nur nicht das.
Ich öffnete die Wohnungstür, schob mich rein, schloss sie wieder und fuhr in die Küche, um den Rucksack auszuleeren und alles einzuräumen. Bis zum letzten Schritt kam ich allerdings gar nicht, da ich auf einmal etwas hörte, von dem Sei sicherlich genauso wenig wollte, dass ich es hörte, wie ich nicht wollte, dass er mich schreien und weinen hörte.
Er stöhnte. Es war unverkennbar sein Stöhnen. Ich kannte sein Stöhnen wie kein anderes, besser als mein eigenes. Dass ich es lange nicht mehr gehört hatte, änderte nichts an dieser Tatsache. Die Vertrautheit dieses Geräusches durchzuckte mich für einen Moment wie ein Funken, ein Funken Leben.
Doch dann hörte ich das Stöhnen einer anderen, männlichen Person und der Funken erlosch genauso schnell wie er zuvor erschienen war. Als hätte er nie existiert.
Jetzt schrie ich, aus Leibeskräften und voller Hass: „MIKOSHIBA!“ Es wurde still, nur noch mein lauter Atem und mein brechendes Herz waren zu hören. Die Sekunden verstrichen, bis sich die Tür seines Zimmers öffnete. Ursprünglich hatte es mal unser Büro- und Zockerzimmer werden sollen. Ursprünglich hatte ich nicht im Rollstuhl sitzen sollen.
Ich weinte nicht, als ich ihn dort im Türrahmen stehen sah, nur mit Boxershorts. Ich weinte nicht, als er mir, zwar mit einem Glänzen in den Augen, aber trotzdem vollkommen kühl erklärte, dass er es, Sex, gebraucht hatte. Er erzählte mir, wie fertig er wegen allem war und wie sehr es ihn belastete und so weiter. Es war das erste Mal, dass er richtig mit mir darüber sprach.
Ich hörte jedes Wort, dass er sagte. Doch ich erwiderte nichts. Ich sagte gar nichts, bis er irgendwann zu reden aufhörte.
„Ich werde zurück nach Japan gehen.“ Mehr sagte ich nicht. Mehr gab es nicht zu sagen.
Ich rollte in mein Zimmer, schloss die Tür und begann zitternd zu weinen, das stille Weinen, das ich mir angewöhnt hatte. Ich weinte stundenlang, auch dann noch als längst keine Tränen mehr kamen. Ich weinte, weinte und weinte. Irgendwann schluchzte und schrie ich.
Das Fass war übergelaufen. Sei hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Schon die ganze Zeit war es randvoll gewesen, hatte quasi nur darauf gewartet, überzulaufen. Dass Sei mich betrogen hatte, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der eine, letzte Tropfen.
Schließlich wurde ich wieder still, Schreien und Schluchzen erstarben und ich wimmerte nur noch, unfähig etwas anderes zu tun.
Als ich am nächsten Morgen mit gepackten Sachen zum Flughafen fuhr und zurück nach Japan flog, dachte ich, dass ich endgültig und unwiederbringlich am Ende war. Vielleicht würde ich mich doch umbringen. Das dachte ich.
Doch der letzte Tropfen war noch nicht gefallen.

Freitag, 1. Mai 2015

Buch: Die Auswahl von Ally Condie

Dear Books.




Ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr ein Buch so schnell durchgelesen. Immer wieder ein tolles Gefühl, so gefesselt von der Handlung und den Charakteren und überhaupt allem zu sein. <3

Kurzbeschreibung:
Für die 17-jährige Cassia ist es der wichtigste Tag ihres Lebens: Heute erfährt sie, wen sie mit 21 heiraten wird – wen das System für sie ausgewählt hat. Es könnte jeder Junge aus Oria sein, doch zur großen Überraschung aller wird ihr bester Freund Xander als ihr Partner bekanntgegeben.
Als Cassia sich später auf dem feierlich überreichten Mikrochip Informationen über Xander ansehen will, passiert etwas schier Unmögliches: Es erscheint das Gesicht eines anderen Jungen – das von Ky. Cassia ist schockiert und verängstigt. Das System macht keine Fehler! Und tatsächlich wird ihr von offizieller Seite versichert, dass es sich um ein einmaliges Versehen handelt. Aber Cassia geht Kys Anblick nicht mehr aus dem Kopf. Gibt es doch die Möglichkeit zu wählen?
(Quelle)

Story und Erzählweise:
Allein der Ansatz der Geschichte, die Idee ist schon fantastisch. Diese ganzen Gesellschafts-Jugendbücher faszinieren mich ja sowieso. Es ist einfach im Moment total im Trend und ich mag es sowieso, mich mit gesellschaftlichen Fragen und verschiedenen Gesellschaftsmodellen auseinander zu setzen, natürlich am liebsten in Buchform.
Mit ''The Hunger Games'' oder ''Divergent'' ist ''Die Auswahl'' aber nicht zu vergleichen, würde ich sagen. Es baut zwar auch darauf auf, dass es eine bestimmte Gesellschaftsform gibt und diese dann in Frage gestellt wird, aber bei ''Die Auswahl'' steht die Liebesgeschichte schon ziemlich im Mittelpunkt, was bei den anderen beiden Buchreihen nicht der Fall ist.
Demnach würde ich auch nicht sagen, dass es Leuten, denen ''The Hunger Games'' oder ''Divergent'' gefallen hat, auch dieses Buch gefallen würde. Es ist tatsächlich mehr eine Liebesgeschichte.
Und zu dem ist es noch nicht einmal eine Liebesgeschichte, in der sonderlich viel passiert. Es passieren schon Dinge, auch wichtige Dinge, aber es sind kleine Sachen, kleine Ereignisse.
Das Buch erzählt aus Cassias Sicht, wie sie sich in Ky verliebt, obwohl sie es nicht sollte. Es erzählt, wie sie anfängt dadurch und durch ein paar andere Umstände, das System ihrer Gesellschaft in Frage zu stellen.
Es ist ein ruhiges Buch, bei dem es viel um Gedanken und Gefühle geht. Es gibt auch ein paar actionreichere Szenen, die trotzdem nicht als Action zu verstehen sind, aber sie wirken heftig, weil das Meiste andere so ruhig ist. Und es ist gerade diese Ruhe, die dieses Buch so spannend für mich gemacht hat. Ich wollte nicht mehr aufhören zu lesen, weil ich unbedingt wissen wollte, was aus den Beiden wird, wie sich Cassia weiterentwickelt, wer genau Ky eigentlich ist.
Ich konnte wunderbar in das Buch und Cassias Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen. Das war toll.
Schreibweise:
Neben der ruhigen Erzählweise hat die Autorin auch einen sehr klaren Schreibstil. Sie redet nicht viel um die Dinge herum, schmückt meist nicht viel aus. Und wenn sie etwas ausschmückt, dann auf solch eine schöne Weise, dass man dasitzt und die Worte gleich nochmal liest, weil sie so schön klingen.
Klar, ich habe das Buch jetzt auf Deutsch gelesen und im englischen Original ist es bestimmt noch schöner, aber es spricht auf jeden Fall auch für das Buch und die Übersetzer, dass es mir im Deutschen so gut gefallen hat.
Über viele Worte und Gedanken von Cassia muss man genauer nachdenken und auch das gelingt dank der Schreibweise wunderbar.

Charaktere:
Weibliche Protagonisten haben es bei mir etwas schwer. Cassia hat es aber geschafft, dass ich sie mag. Ich würde nicht einmal behaupten, dass sie am Anfang naiv war. Sie hat in dieser Gesellschaft gelebt und kannte nichts anderes. Sie war eine vorbildliche Bürgerin und hatte Angst, Fehler, die die Gesellschaft stören würden, zu machen. Sie mochte die Gesellschaft auf eine gewisse Art sogar. Aber mir kommt es so vor, als hätte sie doch schon lange gewusst, dass die Perfektion der Gesellschaft, in der sie lebt, eigentlich nur Schein ist. Tief in sich hat sie es gewusst und das merkt man beim Lesen, finde ich.
Alles, was sie gebraucht hat, ist ein Auslöser, wodurch sie diesen Schleier hinunter reißt und genau davon erzählt das Buch.
Ky ist ein ebenso toller Charakter, den ich sofort mochte. Er ist ein ziemlicher Einzelgänger, der sich sehr gut anzupassen weiß. Er ist unheimlich schlau und sehnt sich nach Freiheit. Er ist ein Realist und dennoch verbirgt sich hinter seiner Fassade ein Träumer, der trotz allem die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat.
Hach, ich glaube, mehr brauche ich gar nicht zu Ky sagen. <3
Während Cassia ihn kennenlernt, verliert er auch für den Leser immer mehr an Unnahbarkeit. Ich liebe es, so mit der Protagonistin mitzuleben.

Tiefere Bedeutung:
Wenn einem praktisch jede Entscheidung abgenommen wird, wäre das sehr einfach. Man bräuchte sich darüber keine Gedanken mehr zu machen, könnte sich auf das Wesentliche konzentrieren. Aber was ist das Wesentliche, wenn man keine eigenen Entscheidungen mehr treffen muss?
Ich würde mich gefangen fühlen, denn ich Liebe die Vorstellung von diesem Meer an Möglichkeiten, das man hat. Der Gedanke, das theoretisch alles möglich ist.
Solch eine Gesellschaft, wie die in der Cassia lebt, ist immer nur augenscheinlich perfekt, denn es gibt keine Perfektion. Alles hat Vor- und Nachteile, gute und Schattenseiten.
Das Fiese an solchen Gesellschaftsformen ist, dass sie ihre Fehler stets vor der Allgemeinheit verstecken und vertuschen. In der Hinsicht lässt sich ''Die Auswahl'' eher mit ''Divergent'' vergleichen, denn in beiden Geschichten finden die Protagonisten erst heraus, was in ihrer Gesellschaft falsch läuft, während es bei ''The Hunger Games'' Katniss von Anfang an klar ist.
Gleichzeitig zeigt ''Die Auswahl'' aber auch wie trist ein Leben ohne eigene Entscheidung, ohne eine Wahl zu haben, wäre. Es wäre furchtbar langweilig und eintönig und vorhersehbar, wodurch alles abgestumpft und erzwungen wirkt.
In ''Die Auswahl'' ist das Einzige, was nicht künstlich wirkt, die Gefühle. Das, was Cassia für ihre Freundin Em tut, was sie für Xander und ihre Familie fühlt, was ihre Eltern füreinander fühlen und natürlich die Gefühle, die sie für Ky entwickelt. Das zeigt: Auch wenn das System nicht menschlich wirkt, sind es die Menschen dennoch.
Und genau das ist der Grund, warum ein solches System nicht funktioniert. Menschen sind keine Roboter. Man kann ihr Leben nicht lenken, nicht bestimmen. Man kann es schon, aber nur bis zu einem gewissen Grad und richtig ist daran gar nichts. Das ist kein Leben.
Genau das ist es, was Cassia herausfindet und das zu lesen ist. <3
Wobei ich allerdings glaube, das Buch nochmal lesen zu müssen, um wirklich zu erkennen, ab wo und wie genau ihre Einstellung sich ändert. Das ist ein bisschen verschwommen in meinem Kopf. Aber gut, beim ersten Lesen kann man ja nicht auf alles achten.

Fazit:
Ein wirklich tolles Buch!
Für Menschen, die eher auf Action stehen, ist es sicherlich nichts, weil es eben mehr eine Liebesgeschichte ist und das, was vor allem passiert, in Cassia geschieht.
Aber wer Lust hat, diese Art von ruhiger, entstehender Rebellion zu lesen, der ist bei ''Die Auswahl'' genau richtig.