Donnerstag, 4. Februar 2016

04.02.2016 - Wir leben nicht, um zu funktionieren

Dear Sweet Heart

Zuerst war ich genervt von der ganzen Lernerei und wütend auf mich selbst, weil es nicht so klappen wollte und ich früher hätte anfangen sollen und all sowas. Danach habe ich mich selbst fertig gemacht und konnte kaum aufhören zu weinen, weil ich so traurig und auch verzweifelt war, dass ich es nicht hinbekomme.
Jetzt bin ich wieder wütend. Wütend auf dieses ganze System, auf diese ganze Leistungsgesellschaft, diesen ständigen Druck, dieses Funktionieren, diese Pflicht irgendetwas sein zu müssen.
Was soll denn der ganze Mist überhaupt!?

Es gäbe so viele bessere Möglichkeiten, wie man leben könnte, so viele bessere! Zumindest ist das in meinem Kopf so und es kommt mir auch so vor, als müsste es eigentlich so sein. Es muss andere Möglichkeiten geben. Ansonsten gehöre ich wirklich nicht auf diese Welt und viele andere mit mir.
Ich glaube sogar, dass niemand eigentlich für so etwas geschaffen ist, zumindest nicht wir Menschen. Irgendwann haben wir angefangen, uns das einzureden und manche können damit besser umgehen als andere, aber vollkommen glücklich ist damit niemand. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Das Leben ist doch mehr, als nur irgendwelchen Aufgaben nachzugehen und zu funktionieren! 1. ist es nicht so einfach und 2. sind wir verdammt nochmal keine Maschinen! Wir haben ein Herz, Gefühle, einen Verstand voller Ideen, Augen, um schönes zu sehen und Ohren um schönes zu hören, den Tastsinn um schönes zu fühlen. Wofür bräuchten wir all das, wenn wir bloß funktionieren sollten?

Wir vergessen es. Wir vergessen es so oft – dass wir nicht dazu gemacht sind, um einfach nur zu funktionieren. Die Gesellschaft sagt uns das, vermittelt uns dieses Bild. Sie vergisst aber eins dabei – den Zweck, den Nutzen. Wofür das Alles? Wofür sollen wir funktionieren? Einfach nur um zu überleben? Überleben, überleben ist nicht das Gleiche wie Leben.
Wofür haben wir denn eine halbwegs stabile Gesellschaft, wenn wir nicht einmal in ihr leben können? Was bedeuten schon Sicherheit und Freiheit, wenn wir vergessen haben, wie man lebt?
Immer heißt es nur „tue dies“, „sorge dafür“, „mach das noch“, „bezahle hierfür was“, „bezahle dafür was“, „geh zur Schule“, „schreib gute Noten“, „lerne viel“, „such dir einen ordentlichen Beruf“, „sieh zu, dass du Geld verdienst“!

Manche Verpflichtungen können auch schön sein. Manche Dinge zu lernen kann auch sehr viel Spaß machen. Manche Jobs können einem sehr viel Spaß machen.
Aber eben nicht allen. Wir sind alle verschieden. Das wird ja sowieso in diesem ganzen System immer und immer wieder vergessen.

Ich bin bisher recht gut zurechtgekommen. In der Schule hatte ich nie groß Probleme. Ich hatte nie Schwierigkeiten, Dinge zu lernen, hatte immer gute Noten und musste nicht einmal viel dafür tun. Ich war jetzt nicht die super Streberin und es ging mir auch nie darum super gute Noten zu haben, aber ich war zufrieden und oft auch sehr überrascht über meine guten Leistungen.
Trotzdem war ich natürlich froh, als ich dann aus der Schule raus war. Endlich keinen unnötigen Kram mehr lernen und endlich Dinge tun können, die ich wirklich tun wollte! Was ich natürlich dann auch erstmal nicht gemacht habe, aber gut. :'D

Jetzt studiere ich seit einem halben Jahr und es ist toll. Ich mag meine Studiengänge sehr und ich denke, ich werde sie auch beibehalten, eben weil ich sie mag und sie mich wirklich interessieren und inspirieren und mir Spaß machen. Das ist ja auch der Grund, warum ich überhaupt angefangen habe, diese Sachen zu studieren – weil sie mich interessieren und ich damit auch beruflich etwas tun möchte.
Daran wird sich wahrscheinlich auch nichts ändern, weil Literaturwissenschaften und Japanologie beides Dinge sind, die mich einfach sehr faszinieren und mich sehr geprägt haben.

Darum geht es auch gar nicht.
Und es geht auch nicht direkt darum, dass Uni was ganz anderes ist, als Schule. Oder vielleicht eher die Schule, an der ich war.
Das Niveau an einer Uni ist anders. Das Niveau in meinen Studiengängen ist anders. Anders als was? Anders als ich es erwartet habe? Anders als ich es mir wünschen würde?
Wahrscheinlich das – anders als ich es mir wünschen würde. Oder nein, eigentlich ist es ganz gut so. Was mich stört, ist das System, die Art zu studieren. Nicht das Studieren an sich, sondern wie es aufgebaut ist, wie es einem den Spaß an der Sache kaputt machen kann.

Ich weiß, dass ich nicht doof bin und wenn ich etwas lernen will, dann kann ich das und ich bin überzeugt, dass das bei Jedem so ist. Die Gesellschaft, die Schule oder auch Personen oder andere Dinge pflanzen uns da gerne andere Dinge ein.
Aber verdammt nochmal, darauf sollten wir auf keinen Fall hören. Jeder hat seine Stärken, jeder. Nur die können eben verdammt nochmal nicht an Noten gemessen werden und schon gar nicht an Noten in der Art, wie sie in der Schule ermittelt werden!
Für die Uni gilt in gewisser Weise das Selbe bzw. sollte dort eigentlich die Moral noch einmal eine ganz andere sein.

In der Schule muss man gezwungenermaßen gewisse Dinge lernen, weil sie eben wichtig sind. Dagegen sage ich überhaupt nichts. Es gibt schon einen Grund, warum es die Schule gibt und das ist auch gut so.
Aber an einer Uni ist man, weil man dort sein will und nicht, weil man muss.

Das ist es auch, was einem die Professoren immer wieder sagen und woran man sich selbst auch immer wieder erinnern sollte – ich bin hier, weil ich hier sein will, weil es mich meinem Ziel näherbringt, weil es mich interessiert.
Klar kann das immer mal ein bisschen schwanken und so, aber der Grundgedanke sollte die ganze Zeit über vorhanden sein, sonst macht die ganze Sache nicht so viel Sinn.

Soweit, so gut. Man ist aus freien Stücken dort und natürlich muss man sich bis zu einem gewissen Grad einem System unterwerfen. Einiges ist schon deutlich freier gestaltet als in der Schule. Man kann sich ja den Studiengang aussuchen, stellt sich den Stundenplan selbst zusammen, entscheidet selbst, was man wann machen will. Mit gewissen Einschränkungen, aber das ist ja auch okay.
Was ich nicht okay finde, ist, was teilweise von einem verlangt wird. Man soll so vieles kennen und wissen und sich merken und lernen und O___________O

Da sagen sie, sie sind anders, als die Schule und tue dann genau den gleichen Mist.

Ich bin nicht an der Uni, um unter Druck gesetzt zu werden! Ich bin nicht an der Uni, damit Erwartungen an mich gestellt werden! Ich bin nicht an der Uni, um zu irgendetwas gezwungen zu werden oder mich zu irgendetwas gezwungen zu fühlen!
Ich bin da, weil ich da sein möchte.

Bis zu einem gewissen Grad lassen sich all diese Dinge natürlich nicht vermeiden und Druck ist grundsätzlich ja auch gar nichts schlechtes, mir hilft er oft sogar sehr, aber argh!

Jeder hat sein eigenes Tempo, seine eigene Welt, sein eigenes Leben. Das gilt an einer Uni in gewissem Maße nochmal mehr als an einer Schule.
In der Schule sollte es darum gehen, dass alle sich ein gewisses Grundwissen aneignen und an der Uni kann man sein Wissen um das erweitern und vertiefen, was man gerne noch wissen möchte. Möchte, nicht muss.

Da kann, da darf die Uni keine Erwartungen an mich stellen, außer einer – dass ich da sein möchte, weil die Dinge mich interessieren.
Natürlich folgt darauf, dass ich die Dinge auch lernen muss und all sowas, aber bitte so wie ich das möchte, in meinem Tempo, weil ich es anders sowieso nicht kann! Das gilt für die Schule wie für die Uni – man kann nur das tun, was man eben tun kann. Man stößt an seine Grenzen und ja, man kann und sollte über sich hinauswachsen, aber man sollte dafür keinen zu hohen Preis zahlen müssen und sich nicht wertlos fühlen müssen.

Und noch vor all diesen Dingen sollten diese bescheuerten Erwartungen einem nicht den Spaß an der Sache verderben.
Wenn man etwas will, wirklich will, aus vollem Herzen, dann wird es auch was. Das wird aber ganz sicher nicht mit Zwang und Druck erreicht, niemals.
Ein bisschen Druck ist okay, um zu spüren, dass man etwas tun muss. Aber Fehler und Schwäche und Pausen machen zu müssen und Dinge nicht auf Anhieb zu können und sich auch mal Ruhe zu gönnen, das Alles sollte verdammt nochmal auch okay sein!

Wir leben nicht, um zu funktionieren, um irgendwelchen Erwartungen zu entsprechen und Aufgaben zu erfüllen.
Wir leben, um zu sein, wer wir sind, um das herauszufinden, um uns selbst und andere kennenzulernen, um Dinge zu lernen, Erfahrungen zu sammeln, um auch mal inne zu halten und einfach nur tief Luft zu holen. Wir leben so, wie wir es möchten.
Und verdammt nochmal, ich werde auch so studieren, wie ich es möchte!

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