Samstag, 27. Februar 2016

Dear Person #3

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Davon wie verrückt das mit Uns angefangen hat? Davon wie verrückt es immer noch für mich ist? Davon wie verrückt es ist, dass du mich so sehr magst? Ich weiß es nicht.
Ich weiß gar nichts.
Nein. Nein, das ist natürlich nicht wahr. Ein paar Dinge weiß ich schon. Zum Beispiel, dass du mich sehr magst. Dass du mich liebst. Ich weiß das und ich weiß das auch schon länger. Es ist nichts Neues, was ich erst durch den Brief erfahren habe oder so. Es ist nichts Neues.
Trotzdem fühlt es sich an, als würde es mir den Boden unter den Füßen wegreißen und gerade mehr auf eine schlechte Weise, als auf eine gute.

Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt. Also, ich weiß, dass eine ganze Menge wahrscheinlich nicht mit mir stimmt, aber hey, mit vielem habe ich umzugehen gelernt und es beeinträchtigt mich jetzt nicht so groß, dass ich direkt sagen würde, dass ich irgendwelche schlimmen Probleme habe. Es ist okay. Für mich ist es okay. Ich komme damit klar.
Ich weiß nicht, ob das runterspielen ist, ob ich mich damit selbst belüge. Vielleicht. Vielleicht tue ich das. Vielleicht erzähle ich mir die meiste Zeit über nur selbst Lügen.

Dabei empfinde ich Ehrlichkeit als das Wichtigste überhaupt. Ohne Ehrlichkeit funktionieren keine Beziehungen. Ich will ehrlich sein können. Ehrlich sein können und verstanden werden.
Aber in vielen Punkten verstehe ich mich selbst kaum und es ist etwas, dass nur für mich Sinn macht, ich aber niemand anderem erklären kann, zumindest nicht so, dass er es auch versteht.
Dabei ist das doch so wichtig, oder nicht? Einander verstehen zu können.
Für mich ist das wichtig, sehr wichtig.

Liebe ist für mich eine Art von Verstehen, von einander so gut zu kennen oder so sehr kennen zu wollen, dass man so gut wie alles über die andere Person weiß. Liebe heißt auch, die Dinge, die man nicht verstehen kann oder will, zu verstehen, sie zu akzeptieren und der anderen Person zuzuhören. Liebe ist, einfach Zeit miteinander verbringen zu wollen und nur dadurch oder durch die kleinsten Nachrichten der Person, glücklich sein zu können.
Liebe ist etwas so schlichtes und doch so großes, dass niemand es so wirklich begreifen kann. Ich kann es nicht begreifen und ich glaube nicht, dass ich das je werde tun können.
Es fängt bei so kleinen Dingen an und ist dennoch so allumfassend und mächtig. Liebe ist groß in ihrer Kleinheit.

Liebe fängt schon bei einfacher Zuneigung zu einer Person an. Und von dort aus kann sie noch viel, viel weiter gehen, kann wachsen und wachsen und wachsen. Sie nimmt immer unterschiedliche Wege, diese Liebe. Wichtig ist, dass am Anfang etwas da ist. Das ist das Wichtige.

Ich weiß, dass da etwas ist. Da muss etwas sein. Sonst hätte ich dieser ganzen verrückten Sache nicht zugestimmt. Sonst wären wir nicht zusammen. Da muss etwas sein.
Nur was?
Oder vielleicht nicht was, sondern eher: Wie stark?

Liebe ist immer unterschiedliche. Die Liebe zu jedem Menschen und auch jeder Sache ist anders. Sie ist nie gleich. Das, was geliebt wird, ist ja immer anders. Diese Andersartigkeit hat nicht unbedingt was mit der Stärke zu tun. Wie stark man etwas liebt, das lässt sich nicht miteinander vergleichen, weil die Liebe jedes Mal anders ist.

Was heißt das jetzt? Heißt das irgendetwas? Bringt mich das irgendwie weiter? Und geht es überhaupt darum – weiterzukommen, wie stark dieses Gefühl ist? Ist das überhaupt wichtig?

Ich weiß es nicht.
Ich weiß es nicht.

Aber eines glaube ich zu wissen und ich denke, das ist der Grund, warum ich so zurückhaltend und unsicher und einfach überfordert dir gegenüber und durch dich bin.

Deine Liebe ist laut.
Du würdest sie mir am liebsten ins Gesicht schreien. Ich weiß das. Ich merke das. Und du bist einfach so jemand und verdammt, ich will das ja auch nicht ändern! Auf keinen Fall. Ich will nicht, dass du dich für mich änderst. Durch mich vielleicht. Weil Menschen einander eben verändern. Aber nicht wegen mir, weil ich dich in irgendeiner Weise dazu treibe, dazu zwinge. Nein, ganz bestimmt nicht. Das würde ich niemals wollen.

Aber das ändert nichts daran, dass diese Direktheit und Lautheit und allgemein wie du damit umgehst, deine Zukunftsträumerei und all das, in mir den Wunsch hervorruft, weglaufen zu wollen. Ich will am liebsten rennen und nicht mehr stehen bleiben!

Allerdings weiß ich, dass ich vor meinen Gefühlen nicht werde wegrennen können und vor deinen auch nicht. Sie sind ja längst da. Es ist alles längst da und es ist nichts, das einfach so wieder verschwindet. Es ist nichts, das plötzlich wieder weg ist und ich glaube, wenn dem so wäre, würde ich damit auch nicht klarkommen.

Es macht mir Angst. Es macht mir Angst, weil ich es nicht kennen, weil es so viel und so laut ist. Es macht mir Angst, weil es etwas von mir verlangt, von dem ich nicht weiß, ob ich es geben kann. Es macht mir Angst, weil Menschen mir Angst machen.
Menschen, die sind wie ich; Menschen, von denen ich denke, dass sie mich verstehen oder zumindest verstehen wollen – bei denen ist es einfacher.
Bei Freunden ist es einfacher. Bei der Familie ist es einfacher. Bei manchen Menschen ist es einfacher als bei anderen.

Bei dir ist es irgendwie schwer und leicht gleichzeitig.
Ich weiß nicht, es ist komisch. Manchmal habe ich das Gefühl, das mir mein Kopf eine Menge Dinge einredet, meinem Herzen und mir. Da ist es schwer, noch zu wissen, was denn nun eigentlich Sache ist. Aber andererseits, wenn mein Kopf es schafft, meine Gefühle auf eine Weise zu verändern, dass ich nicht mehr weiß, was ich eigentlich fühle...
Wenn ich bei dir bin, ist es leichter. Leichter, nicht nachzudenken. Leichter, einfach nur zu sein. Und ist das nicht eigentlich der Sinn? Einfach zu sein, miteinander? Oder was ist der Sinn einer Beziehung? Gibt es einen Sinn? Muss es einen geben?

Reicht es nicht, wenn es einem einfach irgendwie gefällt? Ist das nicht genug? Es sollte doch genug sein, oder?

Irgendwie fühlt es sich nicht so an.
Vielleicht ist das die Gesellschaft. Vielleicht habe ich da irgendwie eine komische Vorstellung. Vielleicht bin ich einfach nur sehr, sehr kaputt. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.

Ich weiß, dass du wahrscheinlich sagen wirst, dass ich genug bin. Du liebst mich. Natürlich würdest du das sagen. Für dich ist es dadurch wahr. Für dich. Aber für mich?
Wenn es dir reicht, aber mir nicht... Ist das dann trotzdem okay? Ist es einfach nur etwas, das ich akzeptieren muss? Oder etwas, das noch mit der Zeit wachsen wird? Geht das? Wird es mir dann irgendwann auch genug sein? Und wann ist dieses Irgendwann? Und wenn dieses Irgendwann nie kommt? Was dann? Was dann, wenn es dann keinen Weg zurück mehr gibt? Was mache ich dann?

Ich weiß, dass du dir Mühe gibst, mich zu verstehen, auch wenn ich das selbst oft nicht tue. Und verdammt, es sollte reichen. Das sollte es.
Aber im Moment und das ist normal, weil wir ja noch am Anfang stehen, im Moment weiß ich nicht, ob du mich je verstehen wirst. Ob es reichen wird. Ob du mich überhaupt verstehen kannst, ob das überhaupt möglich ist. Ob ich das überhaupt will.

Natürlich will ich verstanden werden und ich will von dir verstanden werden. Aber was es da alles zu verstehen gibt, wie tief manche Dinge gehen, was da vielleicht begraben liegt – will ich das herausfinden und fühlen? Will ich, dass du das siehst? Musst du das sehen?

Ich habe das Gefühl, du musst es sehen und dass du es auch willst und dass du damit klarkommen würdest. Aber würde ich das? Will ich dich so nah an mich heranlassen? Kann ich das?

Und ja, diese Gedankengänge gehen schon viel zu weit. Müssen sie das? Muss ich mir über all das jetzt Gedanken machen? Muss ich diese Dinge wissen, um mit dir zusammen sein zu können?

Was ist überhaupt eine Beziehung, verdammt!? Worum geht es? Was soll das Ganze?
Beziehung, Beziehung! Das klingt so ernst! So furchtbar und bitter ernst!

Ich mag keine ernsten Dinge. Ich hasse ernste Dinge. Warum gibt es die? Warum machen sie uns den Spaß so oft kaputt? Was wollen sie? Wofür sind sie gut?
Nein, ich will nicht, dass alles immer Friede-Freude-Eierkuchen ist. Nein, ich will nicht ständig lustig sein. Nein, so meine ich das nicht.
Aber warum sollte man sich durch starre Ernsthaftigkeit, den Spaß verderben lassen? Warum sollte man sich durch Ernsthaftigkeit, Gefühle zerstören lassen? Warum sollte man sich selbst Dinge wegen dieser Ernsthaftigkeit verbieten?

Ich liebe dich“ klingt so ernst. Es klingt nach etwas so starkem, nach einer Art Verantwortung. Ich habe jetzt die Verantwortung, das du mich liebt.
Klingt bescheuert, oder? Es ist bescheuert. Aber so fühlt es sich nun einmal an. So fühlt es sich an.

Mir macht es Angst, wie sehr ich dir weh tun könnte. Ich, ich habe auch Angst verletzt zu werden. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass du mich verletzten würdest? Ich weiß nicht. Vielleicht ist es auch einfach, dass ich mit meinem Schmerz schon irgendwie umgehen kann, dass ich meine Gefühle nicht so tief gehen lasse(n kann). Ich weiß es nicht.
Aber ich will dir nicht wehtun und ich habe solche Angst, dass ich das tun werde. Ich will dich nicht verletzten. Ich will dich nicht verlieren! Und ich werde dieses Gefühl nicht los, dass ich das werde. Dass ich dich mit meiner Art verletzten werde, einfach weil ich... weil ich...

Weil ich eben so bin wie ich bin.
Weil ich eben so fühle wie ich fühle.

Und wenn ich sage, dass deine Liebe laut ist und mich überfordert, meine ich damit auch, dass meine Liebe, meine Zuneigung zu dir so leise ist, dass ich sie kaum hören kann. Sie ist da! Aber sie ist so leise und ich weiß nicht, ob sie je lauter werden wird. Muss sie das? Muss meine Liebe auch laut sein? Ist es nur dann „richtige“ Liebe? Gibt es das überhaupt – „richtige“ Liebe, „die richtige Liebe“, „das richtige Maß an Liebe“, „die richtige Stärke an Liebe“!? Und was soll das überhaupt sein!?

Fühle ich nicht genug für dich, nur weil ich nicht „Ich liebe dich“ sagen würde?

Muss ich das sagen können, nur weil du es sagen kannst? Muss ich es fühlen, nur weil du es fühlst?

Beziehungen sind auch immer Geben und Nehmen, oder nicht? So funktioniert das doch. Geben und Nehmen von Liebe. Das ist es doch. Das sollte es doch sein. Oder?
Ich habe das Gefühl, dass du mir so viel gibst und ich nichts habe, dass ich dir zurückgeben kann. Nichts ist vielleicht nicht ganz wahr. Aber es ist viel weniger als das, was du mir gibst.
Das macht es so schwer für mich, das, was du mir gibst, anzunehmen. Es einfach nur anzunehmen. Ich kann es nicht einmal richtig annehmen.

Dabei erwartest du ja erstmal gar nicht unbedingt mehr, oder? Du... möchtest einfach nur mit mir zusammen sein, richtig?
Du möchtest, dass ich glücklich bin.

Ich wäre nicht glücklich damit, dir jetzt auf dein „Ich liebe dich“ mit „Ich dich auch“ zu antworten. Für mich sind das viel zu große Worte und ja, es gibt abgesehen von meiner Familie zwei Personen zu denen ich das wahrscheinlich sagen würde. Aber zumindest das eine ist eine ganz andere Art von Liebe und sowieso ist es immer eine andere Art von Liebe. Ich kann und will das nicht miteinander vergleichen.

Und eigentlich will ich auch nicht deine Gefühle mit meinen vergleichen müssen. Ich will das nicht tun! Ich will das nicht tun müssen!
Ich will mich nicht fühlen, als gäbe es irgendwelche Erwartungen an mich. Ich mag keine Erwartungen!

Ich will einfach nur... sehen wie es weitergeht. Ohne Druck. Ohne Erwartungen. Ohne irgendetwas. Einfach nur das, was es ist und das, was daraus werden kann, werden wird. Nur das. Mehr nicht.
Ich will, dass mir das reicht. Ich will, dass es nicht mehr braucht. Ich will, dass es genug ist.

Ich will nicht, keine Angst haben. Angst ist auch gut. Angst macht es irgendwie realer. Realer ist gut. Realer heißt fühlen.
Aber ich will keine Angst davor haben müssen, dass meine Gefühle nicht genug sind. Ich will nicht, dass das ein Grund ist, etwas zu bereuen oder zu beenden. Ich will nicht, dass es Dinge kaputt macht. Ich will nicht, dass es dich verunsichert. Ich möchte, dass du es verstehst und dass du weißt, dass es nichts schlimmes ist. Es ist einfach so.
Ich will auch nicht, dass es für mich etwas schlimmes ist. Es ist so. Ich kann daran nichts ändern. Ich kann es nur akzeptieren und damit leben. Vielleicht für immer. Vielleicht nicht.

Niemand kann wissen, was morgen sein wird. Und ich mag keine Erwartungen. Ich will nicht sagen, es wird so sein und so werden. Das will ich nicht.
Ich will, dass es wird. Irgendwie. Einfach nur irgendwie. Es soll ein gutes Irgendwie sein, ein schönes Irgendwie. Das wünsche ich mir. Und das zählt doch auch, oder nicht?

Ich will nicht wegrennen. Ich will nicht wegrennen wollen. Ich will... einfach nur schauen, was passiert. Schauen, wie weit es gehen wird. Schauen, was ich kann. Einfach nur schauen.
Und ich glaube, ich kann das und ich glaube, es ist okay. Ich will, dass es okay ist. Es muss okay sein.

Warum sollte es nicht? Warum sollte es nicht auf diese Weise okay sein?
Es wird schon werden. Irgendwie wird es schon werden. Und irgendwie ist doch genug, oder? Ich glaube, für mich ist irgendwie genug.

Und ich hoffe, für dich auch. ♥