Donnerstag, 3. Dezember 2015

3.12.2015 - Unsterblich Sein

Dear Sweet Heart.

Was, wenn es eine Möglichkeit geben würde, alles tun zu können, was noch tun will? Eine Möglichkeit, jedes Buch zu lesen, jede Serie, jeden Anime zu schauen, jedes Game zu spielen, jeden Film zu sehen, all die Zeichnungen zu zeichnen, all die Bilder zu malen, all die Lieder zu schreiben und zu singen, all die Gedicht zu verfassen, all die Schreibideen umzusetzen, alles mögliche zu basteln, all die Orte zu sehen, all die Instrumente zu meistern, all die Sprachen zu lernen... Eine Möglichkeit, das Alles zu schaffen, in einem Leben.

Ich hab erst im letzten Dear Sweet Heart Post darüber geschrieben, dass das nicht geht und warum das nicht geht und warum das auch irgendwie gut ist. Wir brauchen Prioritäten. Uns kann nicht alles gleich wichtig sein. Das wäre auch unnötig. Es wäre langweilig.
Wenn du alles machen könntest, würden all diese Dinge sehr schnell an Bedeutung verlieren.

Wäre man unsterblich, hätte man Unendlichkeiten, Ewigkeiten Zeit für Alles, würde man sich auch ewig Zeit für alles nehmen, bis alles in der nicht endenden Zeit versinken, verwischen und schließlich verschwinden würde. Nichts hätte mehr eine Bedeutung.

Und dennoch! Dennoch will ein Teil von mir das!

Nicht die Bedeutungslosigkeit natürlich, aber die Möglichkeit, alles tun, alles schaffen zu können. Die Möglichkeit, sich nicht stressen zu müssen, weil man so viel zu tun hat und irgendwie nichts auf die Reihe bekommt. Die Möglichkeit, sich entspannen zu können und es nicht später bereuen zu müssen, weil man wieder nicht das getan hat, was man eigentlich hätte tun sollen. Die Möglichkeit, unendlich viele Bücher lesen zu können. Die Möglichkeit, Serien und Animes wie verrückt zu suchten. Die Möglichkeit, Games stundenlang zu spielen. Die Möglichkeit, einfach mal Zeit zu haben!

Wir haben nie Zeit. Wir müssen immer irgendetwas tun, irgendetwas schauen, irgendetwas lesen, zur Toilette, schlafen, essen, daran denken, diesen Termin nicht verpassen, sich darum kümmern, das Lernen, dies tun, jenes tun... Diese endlose, endlose Liste.
Sie ist gut, diese Liste! Wir brauchen sie. Wir müssen etwas tun. Nicht zu viel und die richtigen Dinge und wie genau das geht und was genau das ist, müssen wir natürlich auch noch herausfinden, aber es sind nicht all diese Dinge, die schlecht sind.

Was schlecht ist, ist der Druck. Was schlecht ist, ist die Zeit, die uns durch die Finger rinnt, die uns Dinge bereuen lässt, die Dinge verändert und verstreichen, verschwinden lässt.

Ja, wir brauchen den Moment. Ja, es ist gut, dass unser Leben irgendwann endet. Es ist sinnvoll. Es ist nur gerecht. Wir können nicht alles tun und das sollten wir auch nicht können.

Doch im gleichen Moment ist es so unfair, so furchtbar! Warum müssen wir wählen? Warum müssen wir Entscheidungen treffen? Warum können wir nicht einfach alles? Denn wie sollen wir denn wissen, was wir bereuen werden und was nicht? Wie sollen wir wissen, was das Richtige für uns ist? Wie sollen wir schaffen, nicht auf einer Insel zu stranden, in einem Meer aus Möglichkeiten, in dem sich jeden Meter eine Insel befindet, die natürlich so bewachsen ist, dass man sie erst erforschen muss, um festzustellen, dass man dort nicht ganz richtig ist?

Warum könnten wir uns nicht stattdessen in dem Meer aus Möglichkeiten verlieren, darin ertrinken? Wäre das zu viel, Reizüberflutung? Ja, wahrscheinlich.
Wir können eben nicht alles tun. Wir können es einfach nicht.

Und doch würde ich so gerne! Ich würde mich so gerne in so vielen Dingen verlieren, aber es ist einfach keine Zeit dafür! Die Zeit vergeht viel zu schnell. Alles ist viel zu kurz, viel zu vergänglich. Nichts ist von Dauer.

Und ja, selbst in einem endlosen Leben wäre nichts von Dauer, zumindest nicht, wenn ich die einzige Person mit einem endlosen Leben wäre. Die Dinge würden einfach an mir vorbeiziehen und ich wäre leblos, starr, hilflos. Ich wäre dennoch der Zeit ausgeliefert. Es gibt kein Entkommen. Der Zeit kann man nicht entfliehen.

Aber dem Zeitdruck, dem könnte ich entfliehen, auf gewisse Weise. Manche Dinge sind beständig. An manchen Dingen könnte ich mich festklammern. Ich könnte vieles schaffen. Es gibt so vieles zu entdecken. Ich könnte mich mit Wissen, mit Geschichten und Welten anfüllen, bis ich platze. Ich könnte alles tun. Alles.

Allein die Vorstellung dieser Möglichkeit, finde ich so faszinierend, dass ich nicht anders kann, es zu wollen. Wie schrecklich es auch in vielerlei Hinsicht wäre, aber es wäre einfach so unglaublich cool!
All die Möglichkeiten. All die Zeit. All die Zufriedenheit, die man sich selbst endlich verschaffen könnte.

Es wäre ein trauriges Leben, sicher. Aber man könnte es irgendwie schaffen, sich die Schönheit zu bewahren. Man könnte es irgendwie schaffen, es nicht trist werden zu lassen. Es gibt so vieles in dieser Welt. Ich bin mir sicher, dass diese Welt sich genauso endlos mit Dingen füllt, dass man sich selbst in einem endlosen Leben nie langweilen müsste, wenn man es richtig anstellt.

Und ganz ehrlich, selbst diese traurige Seite, dieses Leid, das mit Unsterblichkeit, einem endlosen Leben einhergehen würde, fasziniert mich irgendwie.

Ich weiß nicht, vielleicht bin ich einfach zu jung. Vielleicht sehe ich einfach zu viel und dennoch nie genug. Vielleicht ist es für mich so faszinierend, weil mein Leben gerade erst anfängt und ich in gewisser Weise nicht so recht weiß, wohin oder was genau mich dorthin bringen könnte und ob ich dort überhaupt wirklich hin will.

Manchmal habe ich das Gefühl, alles viel zu klar zu sehen, die Größe, die Möglichkeiten und dann überwältigt es mich einfach, stürzt mich eine Klippe runter in einen verschlingenden Ozean, zieht mich mit sich und ich kann mich nicht wehren, bin hilflos dagegen und ich liebe es, alles davon.
Wie seltsam das auch klingen mag, aber in gewisser Weise liebe ich sogar die Verzweiflung, die mit all dem kommt.

Das ist das Leben.

Ich spüre es so deutlich, dieses Leben und ich will es so sehr, alles davon, alles! Es macht mich manchmal irre! Ich will einfach alles, aber es geht nicht. Ich kann nicht alles haben. Ich kann nicht alles lesen, nicht alles schauen, werde ich auch nie können und das ist okay. Das ist okay.

Leben. Ich will leben.
Ich muss noch lernen, wie genau das funktioniert und ich werde es wohl nie wirklich können, niemand. Keiner kann Meister darin werden, zu leben. Das geht nicht. Man kann nur glücklich sein, irgendwie, hin und wieder. Man muss auch traurig sein. Leben eben.

Also ich möchte unsterblich sein und ich möchte es nicht sein. Ich möchte wissen, wie man lebt und ich möchte es nicht wissen. Ich will meinen eigenen Weg finden, aber ich will auch Hilfe. Ich will nicht alleine sein und doch will ich es die meiste Zeit. Ich will verschwinden und gleichzeitig will ich gesehen, gehört und verstanden werden.
Am liebsten würde ich explodieren!

Ich will leben. Einfach nur leben. Bloß eben ohne ''nur'' und ohne ''einfach''. Oder doch mit? Beides. Mit und ohne.

Alles.

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