Montag, 11. Mai 2015

52/52 Challenge: Alle Farben dieser Welt

Die Nr. 27. \o/
Und vielleicht bekomme ich gleich mal 31 fertig. :D
Viel Spaß beim Lesen.

Fandom: Sweet Amoris

Wort: Regenbogen
Wörter: 1314

Alle Farben dieser Welt

Lysanders Sicht
Das Leben hat so viele Farben, die einem auf so unterschiedliche Weise begegnen. Vor unserer Geburt ist das Blatt unseres Lebens weiß. Doch kaum tun wir unseren ersten Atemzug, beginnt es sich mit Farben zu füllen. Unser ganzes Leben lang wird unser Blatt mit Farben bemalt. Manchmal können wir nicht entscheiden, welche Farben es sind, aber wir können entscheiden, welche Farben am hellsten leuchten.
Frustriert warf ich meinen Kugelschreiber zur Seite und fuhr mir übers Gesicht und durch die Haare. Jetzt war mir nach malen zu Mute und ich hatte doch ein Gedicht schreiben wollen! Und überhaupt, ich malte gar nicht.
Ich ließ mich nach hinten auf die Matratze meines Bettes fallen. Die Holzdecke sah aus wie immer und sie war so langweilig wie immer. Ich schloss die Augen und sah all die Farben, die im Leben steckten, die in mir steckten. Ich lächelte.
Wenn ich ein Bild wäre, würden die Rottöne im Moment am stärksten leuchten.
Am nächsten Morgen auf dem Weg zur Schule summte ich vor mir hin. Ich saß im Bus und hatte mein Notizbuch aufgeklappt auf meinem Schoß liegen. Den Kugelschreiber hatte ich in der Hand und ein paar Worte befanden sich auch bereits auf dem Papier. Aber sie waren mir nicht lebendig, nicht farbig genug. Das hieß nicht, dass ich mit einem bunten Stift schreiben wollte. Ich wollte, wenn ich diese Worte las, an lauter lebendige Farben denken. Ich wollte...
Gedankenverloren starrte ich auf die Worte, die ich bisher geschrieben hatte und den restlichen, weißen, leeren Platz.
Ich tat das so lange, dass ich aus Versehen die Haltestelle der Schule verpasste und ganze vier Haltestellen zu weit fuhr. Ich kam viel zu spät zum Unterricht und musste mich zusammenreißen, als wir stille Einzelarbeit machen sollten, nicht wieder zu summen.
In der Pause hatte ich wieder das Notizbuch vor mir. Ich saß auf der Lehne einer Bank auf dem Schulhof. In der Natur zu sein, die frische Luft einzuatmen, das half normalerweise. Doch mir konnte gerade nichts helfen. Ich wollte die Gefühle in mir in ein Gedicht stecken, aber es gab irgendwie keine Worte. Es hatte eine Melodie und mir gingen auch Worte durch den Kopf, aber nichts schien gut genug zu sein, nichts schien so wirklich zu passen.
„Hey, Lysander.“ Ich blickte von meinem Notizbuch auf und sah Alexy, wie er sich auf die Bank setzte. Augenblicklich schlug mein Herz kräftiger, schneller und ich musste lächeln. „Hi, Alexander.“
Er legte einen Arm auf die Lehne und wandte sich mir zu. Sein Gesicht strahlte, er strahlte. Er sah mich einfach eine Weile so an, dann lachte er und es war ein so schönes, befreiendes Lachen, dass ich mich plötzlich auch ganz befreit fühlte und gar nicht mehr darüber nachdachte, wie ich meine Gefühle denn in ein Gedicht packen könnte.
Denn ich konnte meine Gefühle in kein Gedicht packen. Ich konnte Alexy in kein Gedicht packen. Es waren so viele, schillernde, hell leuchtende Farben. Sie würden auch auf kein Gemälde, kein Bild passen. Selbst ein Regenbogen würde dem nicht gerecht werden können.
Deshalb hatte ich es ihm auch noch nicht gesagt. Deshalb sagte ich allgemein recht wenig. Es war schwer all diesen Farben in mir mit Worten Ausdruck zu verleihen, ihnen überhaupt Ausdruck zu verleihen. Und jetzt war es noch schwerer, denn Alexy war selbst voller Farben. So gut wie jeder Mensch war voller Farben. Aber Alexys Farben leuchteten alle so hell und waren alle so kräftig. Ich wusste bei ihm gar nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte. Und ich würde mich nie an ihm satt sehen, denn es gab immer wieder etwas Neues zu entdecken.
In der zweiten Pause regnete es. Ich saß auf der Fensterbank des Klassenraums, mein Lieblingsplatz. Mein Kugelschreiber kratzte über das Papier meines Notizbuchs. Wort um Wort floss aus mir heraus auf das Papier. Ich konnte die Farben deutlich vor mir sehen und mit jedem Wort wurden sie deutlicher, kräftiger, lebendiger. Ich konnte nicht aufhören zu lächeln.
Als ich fertig war, atmete ich zufrieden tief ein und aus. Es war nicht perfekt, aber es war bunt und wild und irgendwie stellte es schon meine Gefühle und Alexy dar, besser gesagt meine Gefühle für Alexy.
Ich klappte das Buch zu und hob den Blick, um aus dem Fenster zu sehen. Die Regentropfen glänzten im Sonnenlicht. Doch es regnete nach wie vor, aber der Himmel war blau und die Sonne schien. Es würde einen Regenbogen geben.
Noch ehe ich daran gedacht hatte, war ich schon aufgestanden und auf dem Weg nach draußen. Weil es regnete, waren so gut wie alle Schüler in den Klassenräumen. Der Flur war fast vollständig leer. Als ich die große, doppelflügelige Tür öffnete, war niemand auf dem vorderen Teil des Schulhofs.
Tief atmete ich die nach Regen riechende Luft ein. Noch immer fielen die Tropfen zu Boden. Der blaue Himmel widersprach dem. Es war wunderschön. Der Regen glänzte im Sonnenschein. Erneut atmete ich tief ein. Es roch nach Leben, nach Freiheit.
Aber etwas fehlte. Jemand fehlte.
Vor Alexy hatte ich nie das Bedürfnis nach Jemandem gehabt. Ich hatte Sehnsucht gehabt nach Etwas. Da war eine Leere gewesen, die nichts füllen konnte. Wie ein weißer Fleck auf meinem Blatt des Lebens.
Jetzt konnte ich diese leere Stelle füllen. Alexy füllte sie bereits. Aber ich wusste, dass er noch viel mehr ausfüllen konnte. Er könnte alles sein. Er könnte meine Liebe sein, mein zweiter Teil.
„Wie lange willst du dort noch stehen, ohne mich zu bemerken?“, fragte plötzlich Jemand. Nicht irgendjemand, der Jemand.
Erschrocken drehte ich mich um. Neben dem Eingang zur Schule stand Alexy. Er war an die Wand gelehnt und grinste mich an. Ich spürte, wie meine Wangen etwas warm wurden. Dann erwiderte ich sein Lächeln und lehnte mich neben ihn an die Außenmauer der Schule.
Im Blau des Himmels, im Grün der Blätter, im gelben gleißenden Licht der Sonne
Fliegende Gedanken, ein tanzendes Herz, bittersüßer Schmerz
Die leere Stelle, das fehlende Puzzleteil, das zweite Stück
Ist das nicht verrückt?
~
Immer Sehnsucht nach mehr, immer Sehnsucht nach Leben
Die Sprache der Worte kann es nicht beschreiben
Wie lange wird das so bleiben?
Für immer, für immer
Das schönste Versprechen
~
Ich sehe dich im Rot der Rosen, in jeder Kleinigkeit
Du bist all die Farben, die ich im Leben sehe
Du strahlst so kräftig, so hell
Mein persönlicher Regenbogen
Alexy sah mich gerührt an, schob seine Hand in meine und legte seinen Kopf auf meine Schulter. „Das ist wunderschön“, flüsterte er. Mit roten Wangen schaute er in den Himmel.
Meine Wangen waren auch warm, weshalb ich ebenfalls in den Himmel schaute. „Der Regenbogen“, lächelte ich.
„Nein, ich meinte das Gedicht“, widersprach Alexy.
„Ja, so heißt das Gedicht“, lachte ich.
„Aber der Regenbogen am Himmel ist auch wunderschön.“
„Ja.“
Ich wandte meinen Blick wieder vom Himmel ab und schaute Alexy an. Er erwiderte meinen Blick. Wir lächelten beide. Ich legte meine Hand an seine Wange und zog sein Gesicht zu meinem heran. Wir konnte nicht aufhören, uns in die Augen zu sehen. Da war etwas ganz Besonderes, ganz Tiefes zwischen uns.
Mein Blick glitt runter auf seine Lippen und ich beugte mich vor, bis meine seine berührten. Lange standen wir da und küssten uns. Ich legte meine andere Hand an seine Hüfte und zog ihn an mich. Er schlang die Arme um meinen Nacken, reckte sich mir entgegen und ich wollte lachen und weinen vor Glück.
Als wir uns voneinander lösten, tat Alexy es. Er lachte und weinte. Das Sonnenlicht ließ seine Tränen in Regenbogenfarben glänzen. Ich strich sie ihm von den Wangen und küsste ihn ein zweites Mal.
Ich stellte mir vor, dass es jetzt noch ein Bild gab, nicht mehr nur seines und meines, sondern ein Drittes, das uns Beiden gehörte. Es war voller bunter, kräftiger, strahlender Farben. Es sah aus wie ein Regenbogen. Ein Regenbogen, der mit jedem Tag heller und farbenfroher strahlen würde.

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