1. Der General
2. Löwe
3. Die graue Maus
4. Phönix
Wort: Symbol
Wörter: 1177
Schattenkrieg - Die Organisation Taube
Sie war während des
ersten Krieges gegen die Schatten und die Krankheit entstanden. Sie
bestand aus Leuten, die die Krankheit irgendwie überlebt hatten.
Leuten, die zu viel wussten. Leuten, die mehr wissen wollten. Leuten,
die irgendetwas tun wollten. Die irgendwas gegen das Militär tun
wollten.
Sie hielten sich
versteckt in einem alten, halb zugeschütteten Bunker, von dem das
Militär annahm, er sei zerstört worden. Sie harrten aus und
schmiedeten Pläne.
Einer von ihnen war
One. Er war der Sohn des Anführers der Organisation und hatte es
hoch zum stellvertretendem Anführer geschafft. Er besaß eine Menge
Willenskraft und Entschlossenheit und das war es auch, was ihn auf
diesen Posten gebracht hatte. Da alles demokratisch durch Abstimmen
entschieden wurde, hatte sein Vater da auch nicht mehr Einfluss, als
jeder andere. Er konnte wirklich stolz sein, auf das, was er erreicht
hatte und das war er auch. Er war unheimlich stolz.
Doch er wollte noch
mehr. Er wollte seinen Vater stolz machen. Seinen Vater, den er so
sehr bewunderte. Eines Tages wollte er so sein, wie er.
Mit argwöhnischen
Augen sah sein Vater, Six, dabei zu, wie One mit den anderen, die zur
Organisation Taube gehörten, sprach. Sie diskutierten eins der stets
wiederkehrenden Themen – die Lebensmittel- und Wasserknappheit, die
Krankheit und alles, was mit ihr zusammenhing und zu guter Letzt
natürlich ihre Pläne bezüglich des Vorgehens gegen das Militär.
Heute ging es ums
Militär. In letzter Zeit war das Thema etwas mehr in den Hintergrund
gerückt, da besonders die Lebensmittel- und Wasserknappheit sehr
präsent gewesen war. Doch heute hatte eine kleine Gruppe neue
Vorräte beschaffen können und sie hatten dabei mehrere Rekruten des
Militärs geschehen. Laut den Beobachtern waren es allesamt Kinder
gewesen, der Älteste höchstens 18 Jahre.
One war auch fast
noch ein Kind, gerade erst 20 geworden und doch sprach er sich klar
dafür aus, dass sie den Rekruten nicht trauen sollten und immer
zuerst mit Waffengewalt drohen sollten. „Angriff ist die beste
Verteidigung“, sagte er.
Six wünschte, sein
Sohn wäre nicht so wie er selbst und würde nicht so sehr zu ihm
aufblicken. Er hatte Potential. Er hatte unglaubliches Potential und
er war so wild entschlossen. Doch er wollte werden, wie sein Vater.
Das war alles, was er je gewollt hatte. Manchmal fragte Six sich, was
er falsch gemacht hatte, dass sein Sohn so sehr werden wollte, wie er
selbst. Warum sah er keine anderen, neuen Wege? Warum biss er sich in
dem Altbekanntem fest? Er wünschte wirklich, sein Sohn würde sich
mehr darauf konzentrieren, sich selbst zu finden, anstatt ihm
nachzueifern.
„Ich mache mir
auch Sorgen um ihn“, meinte seine Schwester, Four, die neben ihren
Vater getreten
war.
„Ich fürchte,
dazu haben wir auch allen Grund. Er hat einen sehr großen Einfluss
und viele glauben, dass seine Art zu denken, uns letztendlich zum
Erfolg führen wird.“ Six kehrte der Diskussionsgruppe den Rücken
zu und blickte seinem ältesten Kind in die Augen. Four wurde bald 30
Jahre alt. Vor zwanzig Jahren hatten sie den Krieg als 9 Jährige
hautnah mit erlebt. Ihr Gesichtsausdruck war hart und unnachgiebig.
Sie sah immer aus, als würde sie einen Panzer tragen, um sich zu
schützen. Doch in ihren Augen flackerte Lebenswille und Lebenslust.
Sie war ein so fröhliches, aufgewecktes Kind gewesen, hatte immer
gelacht und stets das Positive in alles und jedem gesehen. Das tat
sie noch. Trotz der Schutzmauer, die sie erbaut hatte, um weder
Gefühle nach innen noch nach außen dringen zu lassen, konnte sie
immer noch das Gute sehen. Das wusste er. Und es war eine sehr
wertvolle und wichtige Eigenschaft.
One mochte
stellvertretender Anführer sein, aber wenn es an der Zeit war und
das würde schon bald sein, würde Four seine Nachfolge antreten. Six
hatte seinem ältesten Kind bereits von dem Plan erzählt, den er
sich überlegt hatte. Es würde nicht leicht sein, aber es würde
funktionieren.
Dennoch schmerzte
der Gedanke jedes Mal ein bisschen. Sie würden Gewalt anwenden, um
diese Organisation wieder zu einer gewaltfreien Organisation zu
machen. Aber das war nun mal die Ironie des Lebens.
Six blickte auf die
tätowierte Taube auf seinem Handrücken. Jeder von ihnen trug so
eine. Sie diente als Erkennungssymbol für ihre Organisation. Viele,
besonders die Jüngeren, die One so sehr an den Lippen hingen, hatten
vergesse, was sie wirklich bedeutete. Nach dem Tod seiner Frau, Five,
hatte auch Six vergessen, was es bedeutete.
Doch jetzt, wo sein
Leben sich dem Ende neigte, wo er spürte, wie das Gift in seinen
Adern – und das war es, Gift und nichts anderes – ihn mehr und
mehr von innen heraus zerfraß, erkannte er wieder, dass ein direkter
Kampf keinen Sinn hatte. Denn ein direkter Kampf war genau das, was
das Militär wollte.
Deshalb hatten sie
sich damals ursprünglich in diesen Bunker geflüchtet, nachdem sie
von den Experimenten und allem, was dahinter steckte, erfahren
hatten. Die Schatten waren gekommen und die Krankheit ausgebrochen
und sie hatten festgestellt, dass sie alle Teil eines Experiments
waren. Es hatte Six zutiefst erschüttert, dass seine Frau, Five,
eine der Wissenschaftlerinnen war und obendrein auch noch ihre eigene
Familie als erste Probanden gewählt hatte.
Allerdings hatte sie
nicht gewusst, was wirklich hinter allem steckte. Sie hatte falsch
gehandelt, das war ihr selbst mehr als nur bewusst gewesen. Aber sie
hatte es für ihre Familie getan, besonders ihre Söhne waren perfekt
geeignet gewesen. Six war immer noch wütend auf sie deswegen, aber
er konnte sie nicht hassen. Sie war schon immer eine sehr
leidenschaftliche Wissenschaftlerin gewesen, die keine Risiken
scheute. Am Ende hatte sie das ihr Leben gekostet, da auch sie als
Probandin fungiert hatte und bei der Geburt ihrer zweiten Tochter,
Seven, gestorben war.
Er wird nie
vergessen, was sie an an ihrem Sterbebett zu ihm sagte und wie sie
wieder und wieder von der Taube und vom Frieden sprach. „Ich
wollte nie einen Kampf, einen Krieg. Was passiert ist, der Unfall,
das ist schrecklich. Aber damit hatte ich direkt nichts zu tun. Ich
wollte immer nur Frieden für euch, meine Familie, für uns. Ich
wollte, dass wir ein langes, friedliches Leben führen können. Es
klang so vielversprechend, als sie sagten, wir können ewig leben und
niemand müsse je mehr sterben. Es klang so vielversprechend... So
friedlich. So wunderbar friedlich. Ich habe immer geträumt, dass
eine Taube zu allen kriegtreibenden Menschen dieser Welt fliegt und
ihnen den Frieden bringt. Ich wollte diese Taube sein. Ich wollte,
dass ihr diese Taube seid. Ich wollte, bloß Frieden.“
Ihre Absichten waren
rein gewesen, immer. Ihre Logik mochte etwas seltsam und fragwürdig
gewesen sein, aber sie hatte nie jemandem weh tun wollen. Nicht sie.
Niemals. Sie war einfach zu naiv für diese Welt gewesen.
Six wünschte, dass
diese Naivität eines Tages die Welt würde retten können.
Vielleicht würde Seven, die Jüngste der Familie, eines Tages die
Welt retten...
Sie liebte Tauben,
hatte sie einmal gesagt. Natürlich liebte sie Tauben. Six hatte ihr
wieder und wieder von dem Traum ihrer Mutter erzählt. Wenn jemand an
das Symbol der Taube und dem ihr innewohnenden Frieden glaubte, dann
war sie es.
Eines Tages würde
sie zur Taube werden und Frieden schaffen.
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