Montag, 8. Juni 2015

52/52 Challenge: Die schwarze Katze

Und die Nr. 47.
Wenn alles gut läuft, ist, wenn dieser Post online geht, bereits Nr. 49 fertig. Oder zumindest angefangen.^^
Viel Spaß beim Lesen. :)

Wort: Figur
Wörter: 715


Die schwarze Katze

Ich war nur eine einfache Figur, absolut nichts besonderes. Aber für zwei Menschen war ich sehr besonders.
Es fing gar nicht groß besonders an. Er nahm mich aus dem Regal, kaufte mich nach kurzem Überlegen und bei ihm Zuhause wurde ich in eine Schachtel getan und diese wurde in Papier eingewickelt.
Die Nacht und einige Stunden am nächsten Tag verbrachte ich in dieser Schachtel. Es war Weihnachten, glaub ich. Manche Leute hatten darüber geredet, als sie an meinem Regal gestanden hatten. Einige der Leute hatten meine Geschwister gekauft, weil die schwarze Katze schlicht und einfach war und eigentlich überall reinpasste. Deshalb hatte er mich wahrscheinlich auch gekauft. Warum auch sonst? Ich war ja nur eine Figur. Da gab es nicht besonders viele Gründe. Ich war eben ein guter Dekogegenstand oder eben nicht. Mehr gab es in meinem Leben nicht. Das war das Leben einer Figur. Das wusste ich schon von dem Moment an, als ich in der Fabrik mit allen anderen zusammen geschaffen worden war.
Irgendwann wurde die Schachtel wieder hochgehoben. Ich hörte, wie das Papier abgerissen wurde. Die Schachtel wurde geöffnet und ich in die Hand genommen. Es war ein junges Mädchen, das mich hielt. Sie musste in etwa so alt sein wie der Junge.
Was ist dein Wichtelgeschenk?“, fragte ein Mädchen, das neben ihr saß und schaute mich an. Sie schien etwas irritiert zu sein. Sie selbst hielt eine Weihnachtsmann Figur in der Hand.
Oh, da ist ja noch etwas in der Schachtel“, stellte das Mädchen, das mich in der Hand hatte, fest und holte einen Zettel aus der Kiste. Sie las ihn leise vor: „Weil eine schwarze Katze für mich kein Pech, sondern Glück bedeutet. Und das wünsche ich dir – Glück.“ Sie schaute irritiert und dann lächelte sie.
Sie legte mich wieder in die Schachtel, doch Zuhause bei ihr wurde ich sogleich ins Regal gestellt und da blieb ich viele Jahre. Ich konnte das gesamte Zimmer überblicken. Sie saß oft an ihrem Schreibtisch oder lag in ihrem Bett. Es war nicht sonderlich aufregend, sie zu beobachten. Im Regal zu stehen, war sowieso nicht besonders aufregend. Aber das sollte es ja auch nicht sein. Figuren hatten nun einmal kein besonders aufregendes Leben.
Doch dann geschah doch etwas aufregendes. Der Junge, der mich gekauft hatte, betrat eines Tages zusammen mit ihr das Zimmer, in dem sie schlief und lernte und lebte. Er sah sich um, als hätte es eine große Bedeutung, dass er da war und das hatte es wohl auch. Sie sah genauso aus, nervös irgendwie.
Er fand mich im Regal und lächelte. „Du hast die schwarze Katze noch“, stellte er fest.
Ja“, sagte sie. „Sie erinnert mich immer daran, positiv zu denken, so wie du es immer tust.“
Wow“, erwiderte er. „Dann hast du mich also wirklich wahrgenommen.“
Ja, die ganze Zeit.“ Ihre Worte klangen so einfach und waren doch so bedeutungsvoll, jedes Einzelne. Was auch immer zwischen ihnen war, es war besonders.
Und das war es tatsächlich. Während die Jahre vergingen, wurde ich zum Symbol ihrer Liebe. Sie zog um und nahm mich mit und stellte mich in ein neues Regal. Manchmal, wenn sie ihn sehr vermisste, stellte sie mich auf ihren Nachttisch. Dann konnte sie besser schlafen. Wenn selbst das nicht half, sah sie mich oft die ganze Nacht an.
Er sagte immer, dass er hoffte, dass es der schwarzen Katze gut ging, wenn ich sie miteinander telefonieren hörte. Und wenn er da war, kam nach ihrer Begrüßung stets die Frage, ob es der schwarzen Katze noch immer gut ging. Sie lachte jedes Mal.
Ich musste immerzu an diese Worte denken, die er damals auf den Zettel geschrieben und zu mir in die Kiste gelegt hatte. Weil eine schwarze Katze für mich kein Pech, sondern Glück bedeutet. Und das wünsche ich dir – Glück.
Ich verstand nicht viel davon, was das war, dieses Glück. Aber ich glaube, das hatte er ihr damals geschenkt, nicht mich. Er hatte ihr Glück geschenkt und ich stand stellvertretend für dieses Glück. Er hatte mir eine Bedeutung gegeben, sie beide hatten mir eine Bedeutung gegeben. Weil ich sie zusammengeführt hatte. Ja, irgendwie hatte ich das.
Das war schön. Das war wirklich schön. So bedeutungslos war das Leben einer Figur also gar nicht. Hätte ich einen Mund, würde ich lächeln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen