Wenn alles gut läuft, ist, wenn dieser Post online geht, bereits Nr. 49 fertig. Oder zumindest angefangen.^^
Viel Spaß beim Lesen. :)
Wort: Figur
Wörter: 715
Die schwarze Katze
Ich war nur eine
einfache Figur, absolut nichts besonderes. Aber für zwei Menschen
war ich sehr besonders.
Es fing gar nicht
groß besonders an. Er nahm mich aus dem Regal, kaufte mich nach
kurzem Überlegen und bei ihm Zuhause wurde ich in eine Schachtel
getan und diese wurde in Papier eingewickelt.
Die Nacht und einige
Stunden am nächsten Tag verbrachte ich in dieser Schachtel. Es war
Weihnachten, glaub ich. Manche Leute hatten darüber geredet, als sie
an meinem Regal gestanden hatten. Einige der Leute hatten meine
Geschwister gekauft, weil die schwarze Katze schlicht und einfach war
und eigentlich überall reinpasste. Deshalb hatte er mich
wahrscheinlich auch gekauft. Warum auch sonst? Ich war ja nur eine
Figur. Da gab es nicht besonders viele Gründe. Ich war eben ein
guter Dekogegenstand oder eben nicht. Mehr gab es in meinem Leben
nicht. Das war das Leben einer Figur. Das wusste ich schon von dem
Moment an, als ich in der Fabrik mit allen anderen zusammen
geschaffen worden war.
Irgendwann wurde die
Schachtel wieder hochgehoben. Ich hörte, wie das Papier abgerissen
wurde. Die Schachtel wurde geöffnet und ich in die Hand genommen. Es
war ein junges Mädchen, das mich hielt. Sie musste in etwa so alt
sein wie der Junge.
„Was ist dein
Wichtelgeschenk?“, fragte ein Mädchen, das neben ihr saß und
schaute mich an. Sie schien etwas irritiert zu sein. Sie selbst hielt
eine Weihnachtsmann Figur in der Hand.
„Oh, da ist ja
noch etwas in der Schachtel“, stellte das Mädchen, das mich in der
Hand hatte, fest und holte einen Zettel aus der Kiste. Sie las ihn
leise vor: „Weil eine schwarze Katze für mich kein Pech, sondern
Glück bedeutet. Und das wünsche ich dir – Glück.“ Sie schaute
irritiert und dann lächelte sie.
Sie legte mich
wieder in die Schachtel, doch Zuhause bei ihr wurde ich sogleich ins
Regal gestellt und da blieb ich viele Jahre. Ich konnte das gesamte
Zimmer überblicken. Sie saß oft an ihrem Schreibtisch oder lag in
ihrem Bett. Es war nicht sonderlich aufregend, sie zu beobachten. Im
Regal zu stehen, war sowieso nicht besonders aufregend. Aber das
sollte es ja auch nicht sein. Figuren hatten nun einmal kein
besonders aufregendes Leben.
Doch dann geschah
doch etwas aufregendes. Der Junge, der mich gekauft hatte, betrat
eines Tages zusammen mit ihr das Zimmer, in dem sie schlief und
lernte und lebte. Er sah sich um, als hätte es eine große
Bedeutung, dass er da war und das hatte es wohl auch. Sie sah genauso
aus, nervös irgendwie.
Er fand mich im
Regal und lächelte. „Du hast die schwarze Katze noch“, stellte
er fest.
„Ja“, sagte sie.
„Sie erinnert mich immer daran, positiv zu denken, so wie du es
immer tust.“
„Wow“, erwiderte
er. „Dann hast du mich also wirklich wahrgenommen.“
„Ja, die ganze
Zeit.“ Ihre Worte klangen so einfach und waren doch so
bedeutungsvoll, jedes Einzelne. Was auch immer zwischen ihnen war, es
war besonders.
Und das war es
tatsächlich. Während die Jahre vergingen, wurde ich zum Symbol
ihrer Liebe. Sie zog um und nahm mich mit und stellte mich in ein
neues Regal. Manchmal, wenn sie ihn sehr vermisste, stellte sie mich
auf ihren Nachttisch. Dann konnte sie besser schlafen. Wenn selbst
das nicht half, sah sie mich oft die ganze Nacht an.
Er sagte immer, dass
er hoffte, dass es der schwarzen Katze gut ging, wenn ich sie
miteinander telefonieren hörte. Und wenn er da war, kam nach ihrer
Begrüßung stets die Frage, ob es der schwarzen Katze noch immer gut
ging. Sie lachte jedes Mal.
Ich musste immerzu
an diese Worte denken, die er damals auf den Zettel geschrieben und
zu mir in die Kiste gelegt hatte. Weil eine schwarze Katze für
mich kein Pech, sondern Glück bedeutet. Und das wünsche ich dir –
Glück.
Ich verstand nicht
viel davon, was das war, dieses Glück. Aber ich glaube, das hatte er
ihr damals geschenkt, nicht mich. Er hatte ihr Glück geschenkt und
ich stand stellvertretend für dieses Glück. Er hatte mir eine
Bedeutung gegeben, sie beide hatten mir eine Bedeutung gegeben. Weil
ich sie zusammengeführt hatte. Ja, irgendwie hatte ich das.
Das war schön. Das
war wirklich schön. So bedeutungslos war das Leben einer Figur also
gar nicht. Hätte ich einen Mund, würde ich lächeln.
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