Fertig hab ich inzwischen schon 21. der Kurzgeschichten. o.o Wird Zeit, dass ich die hier mal alle hochlade. ;D
Viel Spaß beim Lesen. :)
Wort: Leben
Wörter: 725
Grau in Grau, Schwarzweiß oder das Weiße im Schwarzen I
Ausdruckslos starrte er in den grauen Himmel hinter der
Fensterscheibe. Die Ellbogen hatte er auf seinem Schreibtisch
gestützt und der Kopf ruhte auf seinen Händen. Das leere Dokument,
das er an seinem Laptop geöffnet hatte, versuchte er geflissentlich
zu ignorieren.
Allerdings trug der graue Himmel nicht unbedingt zu einer
Stimmungsverbesserung bei, eher im Gegenteil. Er war vorher schon
alles andere als zuversichtlich gewesen, was diese Hausarbeit anging,
doch seit er hier saß und je länger er in die grauen Wolken am
Himmel blickte, umso düsterer wurden seine Gedanken.
Was sollte das alles überhaupt? Wofür schrieb er diese dumme
Hausarbeit? Um irgendeinen dummen Studienabschluss zu machen und dann
irgendeinen dummen Job zu haben und irgendeines dummen Todes zu
sterben? Das machte doch alles absolut keinen Sinn. In dieser Welt
lebte man doch nur, um zu schuften, zu konsumieren und letztendlich
zu sterben. Ob er diese dumme Hausarbeit schrieb oder nicht, an
diesem Lebensprinzip würde sich nichts ändern.
Er gab ein tiefes Seufzen von sich und starrte weiter in den grauen
Himmel, während sein Karussell sinnloser Lebensabläufe sich weiter
drehte. Irgendwann gelangte er zu dem Gedanke, dass das Leben einfach
nur eine Aneinanderreihung bedeutungsloser Tage war und es gar keinen
Sinn und Zweck hatte, morgens aufzustehen. Das Einzige, was sich
hinter dem Ausstehen und dem Folgen des Tagesablaufs verbarg, war das
Aufrechterhalten des aus Sinnlosigkeit bestehenden Systems.
„Na, verstrickst du dich schon wieder in deinem Netz der
Dunkelheit?“ Ein grinsender, junger Mann mit hellen, leuchtenden
Augen ließ sich auf den Drehstuhl des zweiten Schreibtisches vor dem
Fenster fallen.
Der andere ließ erneut ein tiefes Seufzen vernehmen und fuhr sich
mit den Händen durch die Haare. Er drehte das Gesicht seinem
Mitbewohner zu. „Du hast sicherlich deine Hausarbeit schon fertig,
nicht wahr, Nale?“ Sein Blick war abwartend, die Augenbrauen
hochgezogen.
„Tatsächlich muss ich dich leider enttäuschen, mein lieber
Hendrik.“ Nale klappte seinen Laptop auf und nachdem er sich
angemeldet hatte, erschien ein leeres Dokument. „Wie du siehst,
siehst du nichts.“
„Na klasse“, murmelte Hendrik.
„Was ist eigentlich dein Problem?“, wollte Nale wissen und
schaute seinen Mitbewohner gelassen an. Diese verdammte Gelassenheit!
Die ging Hendrik ja schon grundsätzlich auf die Nerven, aber jetzt
war es besonders schlimm.
„Was mein Problem ist? Diese dämliche Hausarbeit ist mein
Problem!“, stieß er aufgebracht hervor.
„Nein. Nein, die Hausarbeit ist nicht dein Problem“, widersprach
Nale sachlich.
„Ach, und was ist dann mein Problem, Herr Psychiater?“, fragte
Hendrik sarkastisch.
„Du bist viel zu verspannt und verkrampft. Mach dich mal ein
bisschen locker. Das wird schon“, meinte Nale lächelnd.
„Du hast gut reden! Dir geht immer alles so leicht von der Hand!“
Verärgert verschränkte Hendrik, der sich Nale inzwischen ganz mit
seinem Drehstuhl zugewandt hatte, die Arme vor der Brust.
„Mir geht alles leicht von der Hand? Wenn du damit sagen willst,
dass ich mich nicht verrückt mache, ja. Wenn das heißen soll, dass
ich mich nicht anstrengen muss, liegst du falsch. Ich habe einfach
nur eine andere Arbeitseinstellung und bin damit vollkommen
zufrieden, weil's funktioniert“, erklärte Nale und war schon ein
klein wenig aufgebracht, aber nur ein klein wenig. Aufgebrachter als
''ein klein wenig'' hatte Hendrik ihn auch noch nie erlebt.
„Aha“, sagte Hendrik bloß und drehte sich wieder zu seinem
Laptop mit dem leeren Dokument.
„Weißt du, mit Optimismus kann man viel mehr erreichen im Leben“,
meinte Nale. „Man ist entspannter, zuversichtlicher, hat mehr
positive Gedanken und dadurch eine positivere Aura. Und ganz ehrlich?
Warum alles negativ sehen? Diese Welt steckt voller Wunder und jeden
Tag passiert irgendjemandem irgendetwas schönes, auch einem selbst,
man muss es nur als solches erkennen. Diese kleinen Dinge, weißt du?
Diese kleinen, eigentlich unbedeutenden Dinge, wie zum Beispiel das
Geräusch des Regens.“
„Du bist verrückt.“
„Danke.“
„Das war kein Kompliment.“
„Für mich schon. Ist alles eine Frage der Sichtweise.“ Das
Lächeln auf Nales Lippen, als Hendrik sich wieder zu ihm umdrehte,
war schrecklich. Es war dieses gewinnende Strahle-Lächeln, dass er
eigentlich Non-Stop zur Schau trug, bloß dass es keine Show war, was
das Lächeln noch schrecklicher machte.
„Allein durch deine tolle Sichtweise schreibst sich deine
Hausarbeit aber auch nicht“, warf Hendrik ein.
„Natürlich nicht. Aber dadurch schreibst sie sich leichter.“
Nale war nach wie vor am Lächeln. Würde er eigentlich nie damit
aufhören?
„Na, das werden wir ja sehen.“
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