Dienstag, 2. September 2014

02.09.2014

Dear Sweet Heart.

Meine Eltern sind nicht mehr zusammen. Sie sind kein Liebespaar mehr.
Das haben sie bzw. mein Vater meiner Schwester und mir vor zwei Tagen gesagt.

Ich hab das immer noch nicht richtig realisiert. Es fühlt sich komisch an. Vielleicht sollte ich darüber auch nicht unbedingt schreiben, wo ich jetzt gerade erkältet bin und mein Kopf da nicht mehr so richtig zu funktionieren scheint.
Aber wenn ich nicht darüber schreibe, habe ich das Gefühl, ich würde es verdrängen und ich glaube, ich verdränge viel zu viele Dinge, die mich eigentlich direkt betreffen.

Natürlich ist es vor allem eine Sache zwischen meinen Eltern und es ist auch nicht so, dass diese Nachricht überraschend kommen würde. Sie hatten sich häufig gestritten in letzter Zeit und ich hab davon so ziemlich alles mitbekommen, was nicht gerade schön war. Aber na ja, ich schätze so ist das, wenn man schon 18 ist und das Zimmer keine Tür hat, weil es der Dachboden ist.

Ich weiß jetzt wirklich nicht, was ich über die ganze Sache denken oder fühlen soll...

Wie sie es uns direkt und offiziell gesagt haben, hab ich zu weinen angefangen und war auch danach eine kleine Weile ziemlich fertig, vor allem auch wegen meiner Schwester und weil wir noch ein bisschen darüber geredet haben. Es war, als würden die Tränen immer und immer wieder kommen, vehement gegen diese eine Mauer in meinem Inneren drückend.

Doch als ich mich soweit wieder beruhigt hatte, kamen auch in der Nacht keine weiteren Tränen. Keine Ahnung. Es war, als wäre die Sache für mich gegessen und irgendwie ist sie es auch und dann auch wieder nicht... Ich bin irgendwie verwirrt...

Auf der einen Seite ist es auch so, dass ich denke, dass es besser ist, wenn man sich trennt, wenn es denn dann nicht mehr funktioniert. Wozu soll man sich da gegenseitig noch was vorspielen? Und ich glaube, seit meine Eltern entschieden haben, dass sie nicht mehr zusammen sind, geht es ihnen beiden auch besser und sie kommen besser miteinander aus.
Es ist auch nicht so, dass sie sich jetzt ständig streiten oder so, überhaupt nicht. Sie streiten eigentlich gar nicht mehr, im Vergleich zu vorher.

Wir leben auch alle noch zusammen. Niemand ist ausgezogen.

Genau deshalb fühlt es sich wahrscheinlich so komisch an.
Im Grunde hat sich nämlich nichts verändert. Es ist alles genauso wie vorher.

Aber es liegt eine gewisse Anspannung in der Luft, zumindest was meine Schwester und mich betrifft. Wir warten jetzt quasi darauf, dass sich etwas verändert. Weil ''für immer'' wird unser Vater wohl nicht hier bei uns im Haus wohnen bleiben.
Ich will nicht, dass er auszieht...

Oh und da kommen die Tränen...

Auf der anderen Seite ist es nämlich so, dass ich darauf gehofft habe, sogar irgendwo tatsächlich gedacht habe, dass alles wieder gut ist zwischen meinen Eltern. Sie haben sich nicht mehr gestritten und wir waren auch letztens erst im Urlaub und das war schön.
Und dann erfahren meine Schwester und ich, dass sie im Urlaub schon gar nicht mehr zusammen waren und das tut so verdammt weh.
Nicht nur angelogen worden zu sein, sondern weil es schön war und irgendwie sind diese Erinnerungen jetzt überschattet.

Am meisten tut es mir leid für meine kleine Schwester.
Ich bin schon 18. Ich ziehe vielleicht nächstes Jahr aus, wenn alles so klappt, wie ich es am liebsten hätte.
Aber sie ist erst 15. 15! Sie wird bestimmt noch drei Jahre hier in unserem Haus wohnen und sie wird die ganze Veränderung ganz anders empfinden, als ich, weil sich bei mir im Moment sowieso alles verändert, aber sie geht noch zur Schule und alles.
Und sie stellt sich so viele Fragen, so unendlich viele Fragen. Fragen, die ich mir (inzwischen) gar nicht mehr stelle. Fragen, die ich mir, so wie ich jetzt bin, gar nicht erst gestellt habe.
Aber ich verstehe, warum sie sich so viele Gedanken macht. Es ist eine Veränderung, eine heftige Veränderung.

Vor allem, weil unsere Eltern immer zusammen waren, immer. Seit wir denken können.
Damit will ich nicht sagen, dass Kinder, deren Eltern sich früher getrennt haben, es leichter haben. Ich glaube sogar, dass sie es schwerer haben. Aber sie wachsen damit auf. Darüber hatte ich mit meiner Schwester geredet und sie hat schon irgendwo recht.
Aber auch Kinder, deren Eltern sich früh trennen, müssen sich erst daran gewöhnen.
Keins von beidem ist leicht. Beides ist schwer und schlimm und blöd.

Aber Dinge verändern sich nunmal. Ständig. Häufig bekommen wir es gar nicht mit. Es passiert einfach und dann kommt dieser eine Moment, in dem die Auswirkungen der Veränderung, die schon die ganze Zeit stattfindet, dich erschlägt und es kommt dir vor, als würde es sich erst ab da alles verändern. Dabei hat sich schon alles verändert.
Es hat sich schon alles verändert.
Was ich/wir/alle immer beweinen ist demnach etwas, dass bereits passiert ist und an dem wir nichts mehr ändern können. Wir beweinen das Passierte, nicht das, was vor uns liegt. Wir beweinen das, was wir nicht mitbekommen haben, aber hätten mitbekommen müssen.

Ach was, wir beweinen einfach alles an der Situation – das Vorhergegangene, den Augenblick und alles, was danach kommen könnte. So ist das mit Tränen und Veränderungen.

Ich werde weiterhin versuchen, meinen Kopf nicht mit Vorstellungen und Möglichkeiten und sinnlosen Fragen zu belasten, sondern ihn frei zu halten, für das Jetzt und Hier, weil immer etwas Gutes und Schönes passieren kann. Man muss nur bereit dafür sein.

Und das ist jetzt ein etwas seltsames Ende für einen etwas seltsamen Post. Aber na ja, ich bin erkältet, also geht das in Ordnung.

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