Dear Sweet Heart.
Meine Eltern
sind nicht mehr zusammen. Sie sind kein Liebespaar mehr.
Das haben sie
bzw. mein Vater meiner Schwester und mir vor zwei Tagen gesagt.
Ich hab das
immer noch nicht richtig realisiert. Es fühlt sich komisch an.
Vielleicht sollte ich darüber auch nicht unbedingt schreiben, wo ich
jetzt gerade erkältet bin und mein Kopf da nicht mehr so richtig zu
funktionieren scheint.
Aber wenn ich
nicht darüber schreibe, habe ich das Gefühl, ich würde es
verdrängen und ich glaube, ich verdränge viel zu viele Dinge, die
mich eigentlich direkt betreffen.
Natürlich ist
es vor allem eine Sache zwischen meinen Eltern und es ist auch nicht
so, dass diese Nachricht überraschend kommen würde. Sie hatten sich
häufig gestritten in letzter Zeit und ich hab davon so ziemlich
alles mitbekommen, was nicht gerade schön war. Aber na ja, ich
schätze so ist das, wenn man schon 18 ist und das Zimmer keine Tür
hat, weil es der Dachboden ist.
Ich weiß jetzt
wirklich nicht, was ich über die ganze Sache denken oder fühlen
soll...
Wie sie es uns
direkt und offiziell gesagt haben, hab ich zu weinen angefangen und
war auch danach eine kleine Weile ziemlich fertig, vor allem auch
wegen meiner Schwester und weil wir noch ein bisschen darüber
geredet haben. Es war, als würden die Tränen immer und immer wieder
kommen, vehement gegen diese eine Mauer in meinem Inneren drückend.
Doch als ich
mich soweit wieder beruhigt hatte, kamen auch in der Nacht keine
weiteren Tränen. Keine Ahnung. Es war, als wäre die Sache für mich
gegessen und irgendwie ist sie es auch und dann auch wieder nicht...
Ich bin irgendwie verwirrt...
Auf der einen
Seite ist es auch so, dass ich denke, dass es besser ist, wenn man
sich trennt, wenn es denn dann nicht mehr funktioniert. Wozu soll man
sich da gegenseitig noch was vorspielen? Und ich glaube, seit meine
Eltern entschieden haben, dass sie nicht mehr zusammen sind, geht es
ihnen beiden auch besser und sie kommen besser miteinander aus.
Es ist auch
nicht so, dass sie sich jetzt ständig streiten oder so, überhaupt
nicht. Sie streiten eigentlich gar nicht mehr, im Vergleich zu
vorher.
Wir leben auch
alle noch zusammen. Niemand ist ausgezogen.
Genau deshalb
fühlt es sich wahrscheinlich so komisch an.
Im Grunde hat
sich nämlich nichts verändert. Es ist alles genauso wie vorher.
Aber es liegt
eine gewisse Anspannung in der Luft, zumindest was meine Schwester
und mich betrifft. Wir warten jetzt quasi darauf, dass sich etwas
verändert. Weil ''für immer'' wird unser Vater wohl nicht hier bei
uns im Haus wohnen bleiben.
Ich will nicht,
dass er auszieht...
Oh und da
kommen die Tränen...
Auf der anderen
Seite ist es nämlich so, dass ich darauf gehofft habe, sogar
irgendwo tatsächlich gedacht habe, dass alles wieder gut ist
zwischen meinen Eltern. Sie haben sich nicht mehr gestritten und wir
waren auch letztens erst im Urlaub und das war schön.
Und dann
erfahren meine Schwester und ich, dass sie im Urlaub schon gar nicht
mehr zusammen waren und das tut so verdammt weh.
Nicht nur
angelogen worden zu sein, sondern weil es schön war und irgendwie
sind diese Erinnerungen jetzt überschattet.
Am meisten tut
es mir leid für meine kleine Schwester.
Ich bin schon
18. Ich ziehe vielleicht nächstes Jahr aus, wenn alles so klappt,
wie ich es am liebsten hätte.
Aber sie ist
erst 15. 15! Sie wird bestimmt noch drei Jahre hier in unserem Haus
wohnen und sie wird die ganze Veränderung ganz anders empfinden, als
ich, weil sich bei mir im Moment sowieso alles verändert, aber sie
geht noch zur Schule und alles.
Und sie stellt
sich so viele Fragen, so unendlich viele Fragen. Fragen, die ich mir
(inzwischen) gar nicht mehr stelle. Fragen, die ich mir, so wie ich
jetzt bin, gar nicht erst gestellt habe.
Aber ich
verstehe, warum sie sich so viele Gedanken macht. Es ist eine
Veränderung, eine heftige Veränderung.
Vor allem, weil
unsere Eltern immer zusammen waren, immer. Seit wir denken können.
Damit will ich
nicht sagen, dass Kinder, deren Eltern sich früher getrennt haben,
es leichter haben. Ich glaube sogar, dass sie es schwerer haben. Aber
sie wachsen damit auf. Darüber hatte ich mit meiner Schwester
geredet und sie hat schon irgendwo recht.
Aber auch
Kinder, deren Eltern sich früh trennen, müssen sich erst daran
gewöhnen.
Keins von
beidem ist leicht. Beides ist schwer und schlimm und blöd.
Aber Dinge
verändern sich nunmal. Ständig. Häufig bekommen wir es gar nicht
mit. Es passiert einfach und dann kommt dieser eine Moment, in dem
die Auswirkungen der Veränderung, die schon die ganze Zeit
stattfindet, dich erschlägt und es kommt dir vor, als würde es sich
erst ab da alles verändern. Dabei hat sich schon alles verändert.
Es hat sich
schon alles verändert.
Was
ich/wir/alle immer beweinen ist demnach etwas, dass bereits passiert
ist und an dem wir nichts mehr ändern können. Wir beweinen das
Passierte, nicht das, was vor uns liegt. Wir beweinen das, was wir
nicht mitbekommen haben, aber hätten mitbekommen müssen.
Ach was, wir
beweinen einfach alles an der Situation – das Vorhergegangene, den
Augenblick und alles, was danach kommen könnte. So ist das mit
Tränen und Veränderungen.
Ich werde
weiterhin versuchen, meinen Kopf nicht mit Vorstellungen und
Möglichkeiten und sinnlosen Fragen zu belasten, sondern ihn frei zu
halten, für das Jetzt und Hier, weil immer etwas Gutes und Schönes
passieren kann. Man muss nur bereit dafür sein.
Und das ist
jetzt ein etwas seltsames Ende für einen etwas seltsamen Post. Aber
na ja, ich bin erkältet, also geht das in Ordnung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen