Ich
bin ein paar Mal gefallen und irgendwie habe ich diese Zeiten
durchgestanden; habe es irgendwie geschafft, wieder aufzustehen.
Nicht vollkommen. Ich kann nicht mehr ''straight'' stehen. (Aus
mehreren Gründen, nicht nur wegen dem Fallen, aber das ist ein
komplett anderes Thema.)
Ich
kann nicht mehr gerade stehen, weil jedes Mal, wenn ich gefallen bin
und einen dieser Kämpfe gekämpft habe – die schlimmer sind als
die normalen, täglichen Kämpfe – jedes Mal wurde ich ein bisschen
mehr verbogen, ein bisschen mehr gebrochen.
Mit
der Zeit, durch liebevolle Menschen und meine Leidenschaft fürs
Schreiben, wurde ich von ein paar der Konsequenzen dieser Biegungen
und Brechungen geheilt. Ich bin nicht extrem gebogen oder extrem
gebrochen. Ich bin nur... nicht ganz richtig und nicht ganz komplett.
Da sind Teile von mir, die fehlen und Teile, die verunstaltet sind.
Aber
ich bin okay. Nicht so okay wie manche anderen Menschen es sein
mögen, aber auch nicht so geschädigt wie es manche andere Menschen
sind. Mir geht es okay. Mir könnte es besser gehen, aber es könnte
immer besser gehen. Mir könnte es auch sehr viel schlimmer gehen.
Also ist es in Ordnung. Denke ich. Nein, es ist tatsächlich in
Ordnung.
Aber
manchmal fühlt sich das wie eine Lüge an. Ist es wirklich in
Ordnung? Bin ich wirklich okay? Okay genug, und was heißt das
überhaupt? Was ist genug? Bin ich genug? Kann ich genug sein, auch
mit diesen verlorenen und verunstalteten Teilen von mir? Bedeutet ein
bisschen nicht ganz richtig und nicht ganz komplett zu sein, dass ich
niemals in irgendeiner Hinsicht genug sein kann, weil da immer etwas
sein wird, dass ich nicht habe und niemals haben kann!?
Wenn
ich diesen Gedanken erreiche; wenn ich endgültig aufhöre, ihn zu
unterdrücken; wenn ich all meine Ängste und Dämonen und einfach
alles, das mich heimsucht, reinlasse – falle ich erneut.
Und
ich werde mich erinnern. Ich werde mich an jedes Mal, jeden
vorherigen Fall erinnern. Ich werde mich erinnern, wie es sich
anfühlte. Ich werde mich erinnern, was passiert ist. Ich werde mich
erinnern, was für Gedanken ich zu der Zeit hatte. Ich werde mich
erinnern, an all den Schmerz und die Traurigkeit und die Verzweiflung
und vor allem: die Leere und Bedeutungslosigkeit.
Weil
das das schlimmste daran ist. Du magst denken, dass der Schmerz dich
tötet und ja, es kann sehr sehr schlimm sein und es kann den Wunsch
hervorrufen, das Gefühl zu stoppen und nur noch Leere zu fühlen. So
schlimm kann es werden.
Aber
sobald du die Leere tatsächlich erreichst und sich plötzlich alles
nur noch bedeutungslos anfühlt, fängst du an, eben nach diesen
Schmerz zu verlangen, den du Sekunden zuvor noch verwünscht hast.
Alles ist besser als nichts zu fühlen. Alles ist besser als sich
leer zu fühlen. Deshalb konsumieren wir so viel, was auch immer es
sein mag. Immer immer immer versuchen wir die Leere in uns zu füllen.
Wir haben so so große Angst vor der Leere.
Zumindest
mir geht das so. Das ist, wie es sich für mich anfühlt. Ich habe
das erlebt. Ich habe nichts gefühlt, nur leer und bedeutungslos und
als... wäre ich nichts. Als würde ich nichts bedeuten, für
niemanden. Und dementsprechend höre ich auf irgendetwas für
irgendjemanden und irgendetwas zu fühlen. Es ist eben... wenn ich
nichts bedeute, warum sollte irgendetwas mir etwas bedeuten? Wenn
niemand einen Grund sieht, warum ich hier bin, wie sollte ich einen
sehen können? Und warum sollte ich mich bemühen, Gründe zu
(er)finden? Das wären nur Lügen, nicht? Ja, all diese süßen
Lügen, die ich mir selbst erzähle, um weiterzuleben.
Ich
brauche Gründe. Wir alle brauchen Gründe. Wir brauchen Erklärungen.
Wir brauchen Hoffnung und etwas, woran wir festhalten können. Wir
brauchen Anerkennung und Akzeptanz. Wir brauchen Liebe. Wir brauchen
jemanden und etwas. Wir brauchen einander. Wir brauchen etwas, dass
es stoppt, sodass wir nicht noch weiter fallen. Wir brauchen eine
Hand, die uns hilft wieder aufzustehen. Oder vielleicht sogar
jemanden, der uns auffängt, wenn wir fallen.
Wir
brauchen Gesellschaft. Gute Gesellschaft. Einen guten Freund. Jemand,
dem wir nah sein können. Jemand, der uns kennt. Jemand, der leben
leichter macht. Jemand, der da ist.
Ich
bin so froh, jemanden zu haben. Nicht nur jemanden, sondern ein
wirklich guter Jemand. Ein Jemand, der momentan sowas wie mein
einziger Freund sein mag. Vielleicht bilde ich mir bloß Dinge ein,
wie ich das schon immer getan habe. Wahrscheinlich ist es nichts. Es
kann nicht sein, wie es schon die anderen Male gewesen ist, richtig?
Das kann nicht passieren. Ich will nicht, dass das passiert. Ich will
das wirklich nicht. Und vielleicht passiert es nicht und all meine
Ängste sind einfach nur dumm. Vielleicht. Hoffentlich.
Aber
auch, wenn es nicht passiert, das ändert nichts daran, wie ich mich
jetzt gerade fühle. Woher auch immer dieses Gefühl wirklich kommt,
auch wenn es nur in mir ist, es ist trotzdem da und es ist trotzdem
real. Ich falle.
Auf
gewisse Weise ist das normal, denke ich. Jeder fällt hin und wieder.
Niemand ist so glücklich wie er zu sein scheint. Das Leben ist
einfach nicht so. Auch Menschen, die unglaubliches Glück haben,
straucheln. So ist das Leben und die menschliche Natur. Nichts wird
daran je etwas ändern.
Wenn
dieses Gefühl des Fallens allerdings zu stark wird... Ich denke
nicht einmal, dass ich schon mal zu hart gefallen bin und ich mag
niemals zu hart fallen. Ich bin nur ein bisschen verbogen und
gebrochen, nicht zu sehr. Ich bin nicht zu sehr beschädigt, nur ein
bisschen. Was nochmal eine komplette, eigenständige Quelle für
Unsicherheiten und all den Scheiß ist. Ein anderes Thema.
Dennoch,
ich weiß, dass es schlimm sein kann. Es mag nur die Spitze des
Eisbergs der Schlechtheit sein, aber es ist nach wie vor der Eisberg
der Schlechtheit, also ja. Und die Sache mit diesem Eisberg ist, dass
es sich immer endgültig anfühlt. Das ist wahrscheinlich der Punkt,
an dem das Selbstmord-Zeug einsetzt. Es fühlt sich an wie das Ende,
als würdest du nur noch endlos fallen.
Selbst
wenn du weißt, dass es besser wird, was es letztendlich auch
wirklich wird, du kannst das nicht sehen und definitiv nicht fühlen.
Da ist nichts und du bist nichts. Da kann nicht irgendetwas sein. Wie
kann da nach nichts etwas sein? Wie könnte es bitte möglich sein,
etwas aus nichts zu machen? Das macht einfach keinen Sinn. Nein.
Nein, dieses Nichts macht sehr viel mehr Sinn. Alles andere ist nur
eine Lüge, irgendein Trick, nach dem andere Menschen leben. Aber du
kannst nicht, nicht mehr. Du hast die Wahrheit gesehen und jetzt ist
es zu spät.
Das
ist Fallen. Du fällst und fällst und fällst einfach und alles
verliert seine Bedeutung und nichts wird je wieder irgendeine
Bedeutung haben, weil es weg ist, es ist verloren und kann niemals
wieder gefunden werden.
Tja,
und jetzt? Rate mal. – Dein Fall kann enden. Du kannst tatsächlich
den Boden erreichen oder dich an etwas in dem Nichts festhalten. Es
mag erscheinen, als wäre da Nichts, aber da ist auf jeden Fall immer
etwas.
Das
ist... Ich glaube einfach daran. Wie sonst könntest du erklären, zu
Etwas zurückzukehren, nachdem du durch Nichts gefallen bist? Ja,
vielleicht ist alles bloß Lügen und Tricks und Illusionen, die wir
uns selbst vorspielen. Wer weiß? Vielleicht ist das Nichts wirklich
die Wahrheit.
Aber
ich weigere mich schlicht, es auf diese Weise zu sehen. Ich muss
daran glauben, dass da immer etwas ist. Wie klein es auch sein mag,
es ist da und aus diesem Etwas kann mehr und mehr und mehr wachsen.
Stelle dir einfach einen Samen vor. Ein Samen ist klein, so so klein.
Und aus solch kleinen Samen kann ein Baum erwachsen. Aus nur einem
kleinen Samen kann ein ganzer Baum wachsen und aus diesem Baum werden
wieder Samen hervorkommen, aus denen noch mehr Bäume wachsen können
und ehe man sich versieht, wird daraus ein ganzer Wald. Ein ganzer
Wald erwachsen aus einem kleinen Samen.
Wenn
ein Samen das kann, stelle dir vor, was ein kleiner Mensch tun kann –
eine kleine Idee, ein kleines Gefühl, ein kleines Wort, ein kleines
Was auch immer. Und dann denke an dieses Nichts und wie das alles
sein könnte, was es gibt – einfach nichts. Wie kann da nichts
sein, wenn du da bist? Was auch immer du über dich selbst denken
magst, du bist da. Du bist hier. Du bist etwas.
Und
für jemanden bist du jemand. Für jemanden könntest du der Jemand
sein. Für jemanden könntest du alles sein. Und was du tust könnte
etwas sein, könnte alles für jemanden sein. Ich bin sicher, dass es
so ist. Ich bin sicher, dass das über mich selbst gesagt werden
kann, ohne arrogant klingen zu wollen.
Es
ist bloß... dieser kleine Samen, er weiß nicht, was er tut. Er weiß
nicht, wie besonders er ist, so besonders, dass er einen ganzen Wald
erschaffen kann. Und er weiß nicht, dass er diesen ganzen Wald schon
erschaffen hat. Er weiß es nicht. Er ist nur ein Samen. Nur ein
kleiner kleiner Samen, auch wenn er einen ganzen Wald erschaffen hat.
Auch
du hast einen ganzen Wald erschaffen. Ich auch. Ich mag nichts davon
wissen, aber ich habe es getan. Und es muss nicht einmal ein großer
Wald oder sowas sein. Aber es ist etwas. Wir sind alle etwas für
jemanden, weil alles, was wir tun und sagen und sind, andere
beeinflusst. Die kleinsten Dinge können alles für jemanden, für
etwas verändern. Wir wissen das nur meistens nicht. Wir können es
meistens nicht wissen. Wie sollten wir? Wir kennen die Fremden nicht,
deren Leben wir verändert haben könnten, einfach weil wir sie
anlächelten. Wir kennen die zufällige Person nicht, die sich an
etwas, das wir gesagt haben, erinnert oder etwas gesehen hat, das wir
getan haben und sie inspiriert, ihren Freunden erzählt oder darauf
basierend entscheidet, etwas zu tun.
Wir
wissen nicht einmal, was unsere Freunde oder unsere Familie anderen
Menschen erzählen mögen und was diese Menschen tun könnten wegen
diesen Worten über uns. Wir werden das niemals wissen. Aber es ist
so. Menschen reden, das weiß sicherlich jeder. Und Menschen sehen
und denken auch, ja, das tun sie tatsächlich, und sie sind
wortwörtlich von allem beeinflusst. Ich weiß, das ich es bin. Ich
mag nicht wirklich wissen, was was beeinflusst; mag nur fühlen und
realisiere die Konsequenzen, die Effekte, nicht aber die Affekte.
Aber es kam von irgendwo, irgendetwas, irgendjemand.
Weil
es nicht von Nichts kommen kann, richtig? Da muss immer etwas sein.
*
Wenn
man auf diese Weise denkt, wird das Nichts zur Lüge. Wie kann da
nichts sein, wenn da immer etwas sein muss? Etwas kann nicht aus
Nichts entstehen. Also ist da immer Etwas. Das macht Sinn, nicht? Das
Nichts kann dann keinen Sinn mehr machen.
Du
magst dich wie Nichts fühlen und dieses Gefühl ist sehr sehr real.
Aber das Nichts ist es nicht. Es ist eine Kreation, eine Kreation
deines Verstandes. Es hat die Kontrolle über dich übernommen und es
will dich glauben lassen, dass es real ist. Es will, dass du nur das
Nichts siehst. Es will, dass du alles andere vergisst. Und manchmal
hat es Erfolg. Manchmal saugt es alles auf und du fängst an zu
fallen und es scheint, als würde es niemals enden, weil das Nichts
alles nahm.
Aber
genau das ist es, was es dich glauben lassen will. Es ist wie ein
Dämon, der wartet, bis du den Schmerz und die Verzweiflung und alles
andere im Leben so müde bist und dann schlägt es zu, wenn du am
schwächsten bist. Du kannst dich nicht verteidigen, du mag es nicht
einmal wollen und dann zieht es dich runter und du fällst fällst
fällst.
Letztendlich
wirst du etwas finden, du wirst verstehen, dass das Nichts wie ein
Schatten ist, der alles verschleiert, alles dunkel und hohl und leer
erscheinen lässt, während gleich unter dieser Lage der Dunkelheit
noch alles da ist. Nichts ist weg. Das Nichts hat nicht eine Sache
genommen. Es hat es dich nur glauben lassen und du hast es geglaubt,
weil es dich hat fühlen lassen, als wäre nichts übrig. Tja, es war
überhaupt nichts je weg oder verloren.
Wenn
du das erkennst, hörst du auf zu fallen, du kannst dich festhalten,
an was auch immer du gefunden haben magst hinter der Lage der
Dunkelheit. Da ist etwas, da wird immer etwas sein. Das verspreche
ich. Ich verspreche das mir selbst.
Die Welt und das Leben mögen auf so viele Weisen dunkel
und furchterregend und unfair sein, aber ich glaube an dieses Etwas,
auch wenn es einer Armee des Nichts gegenübersteht. Ich werde
trotzdem daran glauben und ich werde siegen. Ich werde dieses Nichts
mich nicht aufsaugen lassen. Nein, das werde ich nicht.
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