Samstag, 23. August 2014

Challenge 52/52: Unter dem Sternenhimmel

Und hier ist meine sechste Kurzgeschichte. Ich weiß selbst nicht so genau, ob ich sie nun mag oder besser hätte anders schreiben sollen... Na ja, der tiefere Sinn gefällt mir auf jeden Fall und die Charaktere auch.

Wort: Endlos
Wörter: 781


Unter dem Sternenhimmel

 Seite an Seite lagen sie auf der Wiese. Die kühle Nachtluft wiegte das Gras um sie herum hin und her. Über ihnen funkelten am schwarzen Himmelszelt abertausende von Sternen. Fahl fiel das Licht des Mondes auf die zwei, im Gras liegenden Gestalten.
Es waren Kinder, ein Mädchen und ein Junge. Das junge Mädchen trug ein strahlend weißes Kleid. Es war so weiß, dass es das Licht des Mondes auffing und dadurch umso heller strahlte. Die weit geöffneten, hellen Augen und die weichen Gesichtszüge machten sie wunderschön und unschuldig. Ihr langes, blondes Haar lag zu einem Zopf geflochten auf ihrer Schulter. Sie streichelte es abwesend mit einer Hand. Dabei war ihr Blick in den Himmel gerichtet.
„Das ist Ewigkeit“, sagte sie. „Dieser Moment ist Ewigkeit.“
Der Junge neben ihr blickte sie mit weit geöffneten Augen an. Ihre Kleidung wirkte wie ein Nachthemd, bei seinem karierten Outfit handelte es sich tatsächlich um seine Schlafkleidung. Mitten in der Nacht war er mit ihr aus dem Fenster gestiegen. Er erinnerte sich gar nicht so genau daran, wie es passiert war, aber er war froh, es getan zu haben. Froh jetzt hier bei ihr zu sein und zu den Sternen auf zu schauen.
„Ewigkeit?“, fragte er nachdenklich und richtete seinen Blick wieder auf den Nachthimmel. „Was soll das sein – Ewigkeit?“
„Ewigkeit ist etwas, dass für immer bleibt“, erklärte sie mit einem Lächeln und sah, wie jede Nacht, gebannt an den funkelnden Himmel. Es war so wunderschön, so wunderschön. Und so unendlich. Unendlich und unendlich schön.
„Nichts bleibt für immer“, erwiderte der Junge und sprach, als wäre es eine Tatsache. „Alles verändert sich. Das habe ich von meinem großen Bruder und meinen Eltern gelernt.“
„Ich kann mich nicht mehr verändern. Ich bleibe für immer. Ich bin Ewigkeit“, sagte sie mit ihrer weichen, melodischen Stimme, die zwar einen kindlichen Klang besaß, aber doch eine gewisse Weisheit innehatte, die verriet, dass ihr Geist älter war, als ihr Äußeres es vermuten ließ.
Was sie sagte, war keine Antwort auf seine Worte, sondern eine Feststellung. So war es. So lagen die Dinge. Sie war ewig, würde ewig leben, würde niemals altern, würde alles überdauern. Jede Veränderung. Sie war unsterblich. Kein Teil der großen Veränderung, die die lebende Welt stetig vollzog. Sie war die Ewigkeit.
„Das kann nicht sein“, widersprach der Junge. „So etwas wie Ewigkeit und Unsterblichkeit gibt es gar nicht.“
„Doch. Doch, das gibt es“, beharrte sie. „Jetzt und hier gibt es Ewigkeit und Unsterblichkeit.“
„Und wozu soll das gut sein?“ Er war verwirrt. Aber der Anblick der Sterne war zu schön, zu fesselnd, um sich ernsthaft aufzuregen und eine richtige Diskussion anzufangen. Lieber fragte er weiter nach. Sie beantwortete ihm schließlich jede Frage ohne Umschweifen und ganz ehrlich.
„Wozu es gut sein soll? Es gibt Sicherheit. Die Sicherheit auf ein Morgen, die Sicherheit auf eine Zukunft.“ Er musste den Blick doch wieder vom Sternenhimmel abwenden, um sie anzusehen. Sie war mindestens genauso schön, wie der Sternenhimmel und genauso anziehend, genauso unendlich.
„Aber es wird vorbeigehen – dieser Augenblick und Alles andere“, meinte er leise. Sein Ziel war es nicht, sie zu verschrecken oder ihr diese Vorstellungen auszureden. Das konnte er wohl auch gar nicht. Viel zu überzeugt waren ihre Worte und viel zu fest ihre Stimme. Aber trotzdem glaubte er nicht, was sie sagte. Wie konnten Ewigkeit und Unsterblichkeit der Wahrheit entsprechen, wenn er doch so genau wusste, dass Veränderung und Unbeständigkeit das Leben definierten?
„Nein“, widersprach sie. „Es wird nicht vorbei gehen. Nichts wird vorbei gehen. Es wird ewig andauern. Jeder Augenblick. Jede noch so kleine Sekunde.“ Langsam wandte sie dem Blick vom funkelnden Nachthimmel ab, um ihn anzulächeln. Ihre Augen glänzten. „Verstehst du denn nicht? Nichts geht je zu Ende. Es ist immer bei uns. In unseren Herzen, unseren Gedanken, unseren Erinnerungen, unserer Seele. Alles, was war, macht uns aus und das wird es immer tun. Jede Sekunde ist wichtig. Jede Sekunde ist unendlich. Alles ist Ewigkeit und Unsterblichkeit.“
Die Augenbrauen zusammenziehend erwiderte er ihren Blick. Was redete sie da? Er konnte nicht ganz verstehen, wovon sie sprach. Obwohl ihre Worte klar und deutlich waren, führten sie bei ihm zu Verwirrung.
„Wir sind also unendlich?“, fragte er nach. „Alles ist unendlich?“
Sie nickte. „Ja. Das Leben ist ein endloser Kreislauf aus Ewigkeit und Unsterblichkeit, aus Veränderung und Unbeständigkeit. Alles wiederholt sich und alles hat seinen Sinn, jede einzelne Sekunde. Nichts ist verschwendet. Das Leben verschwendet nicht“, erklärte sie und lächelte. Dieses Lächeln – dieses Lächeln war auch unendlich. Für immer würde er sich daran erinnern.
Das war es wohl, was sie meinte.
Nichts ist für immer. Aber der Moment – der Moment ist endlos.

2 Kommentare:

  1. Wunderschöne Geschichte! Die Stimmung ist richtig toll eingefangen und mir gefällt die Botschaft, die du vermittelst.
    Ist das Mädchen ein Geist?
    Nur der Junge hat nicht so ganz wie ein Kind gewirkt. Irgendwie schien er mir mehr wie ein verwirrter Jugendlicher. ^^

    Liebe Grüße!

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    1. Dankeschön :D
      Ich weiß ehrlich gesagt selber nicht so genau, was sie ist ;D
      Er ist eben etwas frühreif^^

      Liebe Grüße zurück :)

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