Montag, 11. August 2014

11.08.2014

Dear Sweet Heart.

Nach allem bin ich mir noch immer nicht 100%tig sicher, was ich eigentlich fühle.
Okay, so geht es mir ziemlich oft in vielen Punkten. Das ist nichts Neues. Nur dieses Mal wäre es mir irgendwie wichtiger, mir ganz sicher zu sein. Immerhin geht es um meine Zukunft.
Gut, um es genau zu sagen, geht es um ein Jahr.

Bei einem FSJ handelt es sich um ein Freiwilliges Soziales Jahr, das, wie der Name schon verrät, freiwillig ist und im sozialen Bereich abgeleistet wird. Die genaue Prozedur will ich jetzt nicht weiter erklären, da die Worte freiwillig und sozial genug sagen.
Ein soziales Jahr zu machen, hatte ich eigentlich nicht geplant. Ich wollte ein Freiwilliges Kulturelles Jahr machen, am liebsten im Theaterbereich. Dort ist die Konkurrenz aber sehr groß und die Vermittlung erfolgt auf einem etwas anderen Weg. Deshalb hat es nicht geklappt.
Für ein Studium fühlte/fühle ich mich einfach noch nicht bereit, weshalb ich mich dann für ein Freiwilliges Soziales Jahr entschieden habe und zwar im Bereich der Tagespflege in einem Altersheim.

Dieses ganze Altwerden schreckt mich ab, das hat es schon immer getan und in dem Sinne bin ich dort völlig fehl am Platz und so habe ich mich auch teilweise gefühlt. Weil ich dort im Grunde nicht sein will. Es ist nicht das, was ich machen will. Ich könnte mir tausend bessere Dinge vorstellen, tausend Sachen, mit denen ich lieber meine Zeit verbringen würde.

Warum habe ich mich dann trotzdem dazu entschieden?
Nun, das war eben meine letzte Möglichkeit. Das mag jetzt blöd klingen, aber so habe ich am Anfang gedacht und so denke ich in gewisser Weise immer noch.
Aber wenn mich diese Arbeit wirklich unheimlich abschrecken würde, könnte ich sie gar nicht tun und das habe ich jetzt schon eineinhalb Tage lang getan (Hospitationstag + erster Arbeitstag).

Ab hier wird es interessant.
Ich habe kein Problem damit, mich um alte Menschen zu kümmern. Natürlich gibt es eine gewisse Hemmschwelle und die musste ich erstmal überschreiten, aber das ist viel leichter, als ich gedacht habe. Ich kann mich tatsächlich so sehr auf die Arbeit konzentrieren, dass sich meine Gedanken einfach abschalten und dann erreiche ich sogar einen Punkt, wo es mir Spaß macht.

Außerdem bin ich der Ansicht, dass das Altwerden etwas ist, womit sich auseinander gesetzt werden muss. Es betrifft uns alle und im Durchschnitt wird die Weltbevölkerung eben nun mal immer älter. Jeder sieht sich früher oder später mit dem Thema Altwerden konfrontiert, spätestens bei sich selbst.

Direkt vor ihrem Tod habe ich meine Urgroßmutter nicht mehr gesehen und als mein Opa einen Schlaganfall hatte, war ich nicht mit, als meine Familie ihn besucht hat. Ich konnte das nicht. In erster Linie, weil ich es nicht wollte.
Vielleicht war ich dazu auch einfach noch nicht bereit.
Im Endeffekt spielt es keine Rolle. Der Punkt ist, dass ich Angst hatte. Ich wollte das nicht sehen. Ich wollte nichts darüber wissen. Allein der Gedanke hat mich gelähmt. Ich wollte damit nicht konfrontiert werden.

Mit dem FSJ kann ich diese Angst, glaube ich, überwinden. Vielleicht bin ich längst dabei.

All das führt dazu, dass es sich anfühlt, als wäre ich langsam aber sicher immer überzeugter davon, dass ich dieses FSJ schaffen kann und es nicht nur ertragen werde, sondern auch viel daraus mitnehmen kann, was mir in meinem Leben helfen kann.

Ein Rest Zweifel, der nicht unbedingt klein ist, habe ich aber noch und ich weiß noch nicht, ob er verschwinden wird. Es ist eben doch nicht das, was ich machen will und in manchen Situationen überkommt mich Überforderung oder ich bin gelangweilt oder leicht angewidert. Es ist eben ein heikles Thema, dem man lieber aus dem Weg geht, was ich bis zu meinem Hospitationstag ja auch getan habe.

Mein erster Tag beim FSJ in der Tagespflege hat diese Zweifel, die sich seit meinem Hospitationstag wieder langsam aufgebaut hatten, wieder etwas abgeschwächt. In meiner Mittagspause waren meine Zweifel für einen Moment so überwältigend, dass ich am liebsten sofort aufgehört hätte, um irgendeine andere Sache zu finden, denn die Möglichkeit besteht. Sie besteht immer. Ich muss nichts machen, was mich belastet. Das will und muss ich nicht.
Allerdings ging es mir nach dieser Welle an Zweifel plötzlich viel besser und genau wo der Tag zu Ende war, machte die Arbeit gerade richtig Spaß. Meine Kollegen sind so unglaublich nett und die alten Leute sind irgendwie richtig liebenswürdig. Keine Ahnung, es ist eben doch schon ein sehr interessanter Job, in dem sich unglaubliches Potential finden lässt.

Ich weiß nicht. Es ist nicht wirklich meine Welt, das ist einfach eine Tatsache. Eigentlich gehöre ich da nicht so ganz hin. Aber ich kann es ja zu meiner Welt machen bzw. zu einer meiner Welten. Das kann ich und ich glaube, das werde ich. Vielleicht ist es auch schon längst passiert. Ein bisschen fühlt es sich so an. Denn, wie geschrieben, zum Schluss hat es mir am meisten Spaß gemacht und ich war danach unglaublich gut gelaunt. Würde es mir nicht gefallen, wäre dem nicht so gewesen.
Es ist Gewöhnungssache, keine Frage. Aber viele neue Dinge sind Gewöhnungssache. Das ist nichts Schlechtes. Es ist einfach etwas Neues, mit dem ich immer besser umzugehen lernen kann und ich glaube, das will ich auch – lernen damit besser umzugehen.
Es fühlt sich nämlich an, als würde der Job mir vieles zurückgeben können und ich bin fast so weit, zu sagen, dass ich denke, dass es das ist, was ich brauche.

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