Dear Sweet Heart.
Nach allem bin
ich mir noch immer nicht 100%tig sicher, was ich eigentlich fühle.
Okay, so geht
es mir ziemlich oft in vielen Punkten. Das ist nichts Neues. Nur
dieses Mal wäre es mir irgendwie wichtiger, mir ganz sicher zu sein.
Immerhin geht es um meine Zukunft.
Gut, um es
genau zu sagen, geht es um ein Jahr.
Bei einem FSJ
handelt es sich um ein Freiwilliges Soziales Jahr, das, wie der Name
schon verrät, freiwillig ist und im sozialen Bereich abgeleistet
wird. Die genaue Prozedur will ich jetzt nicht weiter erklären, da
die Worte freiwillig und sozial genug sagen.
Ein soziales
Jahr zu machen, hatte ich eigentlich nicht geplant. Ich wollte ein
Freiwilliges Kulturelles Jahr machen, am liebsten im Theaterbereich.
Dort ist die Konkurrenz aber sehr groß und die Vermittlung erfolgt
auf einem etwas anderen Weg. Deshalb hat es nicht geklappt.
Für ein
Studium fühlte/fühle ich mich einfach noch nicht bereit, weshalb
ich mich dann für ein Freiwilliges Soziales Jahr entschieden habe
und zwar im Bereich der Tagespflege in einem Altersheim.
Dieses ganze
Altwerden schreckt mich ab, das hat es schon immer getan und in dem
Sinne bin ich dort völlig fehl am Platz und so habe ich mich auch
teilweise gefühlt. Weil ich dort im Grunde nicht sein will. Es ist
nicht das, was ich machen will. Ich könnte mir tausend bessere Dinge
vorstellen, tausend Sachen, mit denen ich lieber meine Zeit
verbringen würde.
Warum habe ich
mich dann trotzdem dazu entschieden?
Nun, das war
eben meine letzte Möglichkeit. Das mag jetzt blöd klingen, aber so
habe ich am Anfang gedacht und so denke ich in gewisser Weise immer
noch.
Aber wenn mich
diese Arbeit wirklich unheimlich abschrecken würde, könnte ich sie
gar nicht tun und das habe ich jetzt schon eineinhalb Tage lang getan
(Hospitationstag + erster Arbeitstag).
Ab hier wird es
interessant.
Ich habe kein
Problem damit, mich um alte Menschen zu kümmern. Natürlich gibt es
eine gewisse Hemmschwelle und die musste ich erstmal überschreiten,
aber das ist viel leichter, als ich gedacht habe. Ich kann mich
tatsächlich so sehr auf die Arbeit konzentrieren, dass sich meine
Gedanken einfach abschalten und dann erreiche ich sogar einen Punkt,
wo es mir Spaß macht.
Außerdem bin
ich der Ansicht, dass das Altwerden etwas ist, womit sich auseinander
gesetzt werden muss. Es betrifft uns alle und im Durchschnitt wird
die Weltbevölkerung eben nun mal immer älter. Jeder sieht sich
früher oder später mit dem Thema Altwerden konfrontiert, spätestens
bei sich selbst.
Direkt vor
ihrem Tod habe ich meine Urgroßmutter nicht mehr gesehen und als
mein Opa einen Schlaganfall hatte, war ich nicht mit, als meine
Familie ihn besucht hat. Ich konnte das nicht. In erster Linie, weil
ich es nicht wollte.
Vielleicht war
ich dazu auch einfach noch nicht bereit.
Im Endeffekt
spielt es keine Rolle. Der Punkt ist, dass ich Angst hatte. Ich
wollte das nicht sehen. Ich wollte nichts darüber wissen. Allein der
Gedanke hat mich gelähmt. Ich wollte damit nicht konfrontiert
werden.
Mit dem FSJ
kann ich diese Angst, glaube ich, überwinden. Vielleicht bin ich
längst dabei.
All das führt
dazu, dass es sich anfühlt, als wäre ich langsam aber sicher immer
überzeugter davon, dass ich dieses FSJ schaffen kann und es nicht
nur ertragen werde, sondern auch viel daraus mitnehmen kann, was mir
in meinem Leben helfen kann.
Ein Rest
Zweifel, der nicht unbedingt klein ist, habe ich aber noch und ich
weiß noch nicht, ob er verschwinden wird. Es ist eben doch nicht
das, was ich machen will und in manchen Situationen überkommt mich
Überforderung oder ich bin gelangweilt oder leicht angewidert. Es
ist eben ein heikles Thema, dem man lieber aus dem Weg geht, was ich
bis zu meinem Hospitationstag ja auch getan habe.
Mein erster Tag
beim FSJ in der Tagespflege hat diese Zweifel, die sich seit meinem
Hospitationstag wieder langsam aufgebaut hatten, wieder etwas
abgeschwächt. In meiner Mittagspause waren meine Zweifel für einen
Moment so überwältigend, dass ich am liebsten sofort aufgehört
hätte, um irgendeine andere Sache zu finden, denn die Möglichkeit
besteht. Sie besteht immer. Ich muss nichts machen, was mich
belastet. Das will und muss ich nicht.
Allerdings ging
es mir nach dieser Welle an Zweifel plötzlich viel besser und genau
wo der Tag zu Ende war, machte die Arbeit gerade richtig Spaß. Meine
Kollegen sind so unglaublich nett und die alten Leute sind irgendwie
richtig liebenswürdig. Keine Ahnung, es ist eben doch schon ein sehr
interessanter Job, in dem sich unglaubliches Potential finden lässt.
Ich weiß
nicht. Es ist nicht wirklich meine Welt, das ist einfach eine
Tatsache. Eigentlich gehöre ich da nicht so ganz hin. Aber ich kann
es ja zu meiner Welt machen bzw. zu einer meiner Welten. Das kann ich
und ich glaube, das werde ich. Vielleicht ist es auch schon längst
passiert. Ein bisschen fühlt es sich so an. Denn, wie geschrieben,
zum Schluss hat es mir am meisten Spaß gemacht und ich war danach
unglaublich gut gelaunt. Würde es mir nicht gefallen, wäre dem
nicht so gewesen.
Es ist
Gewöhnungssache, keine Frage. Aber viele neue Dinge sind
Gewöhnungssache. Das ist nichts Schlechtes. Es ist einfach etwas
Neues, mit dem ich immer besser umzugehen lernen kann und ich glaube,
das will ich auch – lernen damit besser umzugehen.
Es fühlt sich
nämlich an, als würde der Job mir vieles zurückgeben können und
ich bin fast so weit, zu sagen, dass ich denke, dass es das ist, was
ich brauche.
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