Dear Sweet Heart.
Wie
real plötzlich alles wird. All die Pläne, all die Fantasien,
Vorstellungen und Gedanken, die mir manchmal so durch den Kopf gehen.
Sehr bald wird das Alles Realität sein.
Ich
weiß nicht, ob das Angst ist, was ich fühle. Angst ist sicherlich
auch dabei. Veränderungen, besonders solche riesengroßen, sind
immer angsteinflößend. Aber ich will es ja, so wie ich auch
unbedingt damals endlich auf die Oberstufe wollte und am Ende der
Oberstufe unbedingt endlich mit der Schule fertig sein wollte.
Sowohl
das Ende meiner Mittelstufenzeit als auch das Ende meiner
Oberstufenzeit waren nicht sehr schön. Meine Erinnerung ist
vielleicht etwas überdramatisch und es gibt sicher schlimmeres, aber
ich habe mich beide Male sehr verloren und ängstlich und klein
gefühlt und ich habe mehr als alles andere gewollt, dass sich etwas
ändert. Die Veränderung war meine einzige Hoffnung.
Ich
weiß nicht, warum diese beiden Male sich so furchtbar ähnlich sind,
warum sich meine Freunde, die beim zweiten Mal andere waren als beim
ersten Mal, quasi von mir abgewandt haben, besonders meine beste
Freundin. Ich weiß nicht, ob es einfach nur war, weil wir uns
auseinander gelebt hatten oder weil vielleicht irgendwas an mir ist,
dass ich selbst nicht sehe oder weil vielleicht etwas zwischen uns
einfach nicht gepasst hat. Ich werde es wohl auch nie wissen.
Dieses
Mal ist es etwas anders. Ach was, alles ist dieses Mal anders. Die
neue Freunde, die ich im letzten Jahr dazu gewonnen habe, sind
entweder nicht so super enge Freunde, die ständig um mich sind und
mit denen ich mich oft treffe oder es sind Internetfreunde, die ich
teilweise sogar nur übers Internet kenne und noch nie direkt
getroffen habe. Mit keinen von denen habe ich mich auseinandergelebt
oder ähnliches. Sie haben mich auch eher passiv als aktiv in dem
letzten Jahr begleitet, aber sie sind immer noch da und werden das
auch bleiben und das ist schön.
Dennoch
sehne ich mich auch dieses Mal schon seit Monaten nach Veränderung.
Ich weiß gar nicht genau, wann es angefangen hat. Es muss kurz
nachdem ich mit der Schule fertig war, gewesen sein. Dieser Gedanke,
dieses Bedürfnis – Ich will ausziehen.
Jetzt,
wo ich zurückdenke und wo es so kurz bevorsteht, klingt es irgendwie
brutal. Ich will ausziehen. Ich will weg. Ich will nicht mehr hier
sein.
Hier
ist mir alles vertraut. Hier kenne ich alles. Hier gibt es nichts
Neues.
Klar,
würde ich hier auf die Uni gehen, würde ich auch eine Menge neuer
Erfahrungen machen, Neues sehen, neue Leute kennenlernen. Aber es
wäre nicht... vollkommen, nicht vollständig, irgendwie nur halb und
nicht genug.
Ich
weiß nicht, warum ich das Gefühl habe, diese große Veränderung zu
brauchen. Es gibt eigentlich nichts, vor dem ich davon laufen könnte.
Vielleicht geht es auch eher darum, auf etwas zu zu laufen, etwas zu
finden, von dem ich das Gefühl habe, dass ich es hier nicht finden
kann. Ja. Ja, das ergibt Sinn.
Ich
habe immer nach Leuten gesucht, die mich verstehen und bei denen ich,
ich selbst sein kann und klar hat das auch viel mit mir selbst zu
tun, in wie weit ich mich öffne und wie unsicher ich bin. Doch ich
habe mich im letzten Jahr ziemlich verändert, bin viel mutiger
geworden, was auch meine Entscheidung, soweit weg zu ziehen, zeigt.
Ich habe mich verändert, aber ich habe das Gefühl, meine Umgebung
ist immer noch die Gleiche und sie wird genauso bleiben.
Einerseits
ist das natürlich schön, wenn etwas bleibt und beständig ist,
dieses Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit. Aber es ist auch ein
bisschen wie ein Käfig. Ich bin gefangen, in der Vergangenheit. In
meinem Inneren ist so vieles anders, aber ich sehe immer noch die
gleichen Orte und denke nur an all die Dinge, die gewesen sind.
Ich
brauche neue Erinnerungen, neue Orte, etwas Abenteuer.
Niemals
hätte ich gedacht, dass ich jemand bin, der sich nach Abenteuer
sieht. Ich mag Sicherheit. Ich mag Vertrautheit. Ich verbringe die
meiste Zeit in meinem Zimmer. Ich gehe nicht gerne raus, gehe nicht
gerne unter Menschen. Und das ist eigentlich auch gar nicht weiter
schlimm. Mein liebsten Hobby ist es zu schreiben und auch alle
anderen Hobbys, denen ich hin und wieder nachgehe, spielen sich
drinnen und alleine ab. Ich bin kein Menschenmensch, auch wenn ich
manchmal sehr kuschelbedürftig und anhänglich und vermissend bin.
Wenn
mein Leben und besonders auch das letzte Jahr mir aber eines
beigebracht haben, dann, dass ich Veränderungen brauche. Ich brauche
Neues und deshalb will ich jetzt alles komplett neu. Ein Neustart
sozusagen, ein komplett neuer Anfang. Es ist ungewiss und
angsteinflößend, aber auch aufregend und spannend. Und ich habe
auch gelernt, wie wichtig Mut ist und ins kalte Wasser zu springen.
So vieles passiert nicht, wenn man Gelegenheiten nicht nutzt, wenn
man nicht bereit ist, sich selbst zu befreien.
Es
ist schön hier, wo ich bin, mit meiner Familie und den guten
Freunden, die ich habe und zu denen ich die Freundschaft ruhig noch
etwas intensivieren könnte, was von weit weg ziemlich schwierig sein
wird. Aber es ist allein schon schön zu wissen, dass sie da sein
werden, wenn ich wieder komme. Die Freundschaften, die ich hier habe,
sind Freundschaften, die mir nicht weh tun und auch nie weh getan
haben und das ist sehr wichtig. Es sind Freundschaften, wo ich immer
ehrlich sein konnte und kann und die auch nicht wegbrechen, wenn man
sich länger nicht meldet. Sie sind immer da, so wie Freunde es sein
sollten. Diese Freundschaften gefunden zu haben, dafür bin ich sehr,
sehr dankbar.
Doch
ich kann und will nicht akzeptieren, dass das schon alles ist. Alles,
was ich bisher gesehen und erlebt habe, kann niemals schon alles
gewesen sein. Ja, klar, ist ja auch unmöglich, ich bin erst 19. Das
Leben liegt noch vor mir. Was hinter mir liegt, ist meine Jugend.
Natürlich bin ich noch lange nicht ''erwachsen'' und das will ich
auch gar nicht sein, aber ich will vorwärtsgehen, weiterkommen.
Hier,
wo ich jetzt bin, kommt es mir vor, als würde ich stillstehen und
selbst wenn ich mich bewege, bin ich doch immer noch an der selben
Stelle. Hier, wo ich bin, gibt es nichts Neues, nichts Spannendes für
mich, nichts Erstrebenswertes.
Ich
weiß schon lange, dass ich hier weg will, weg muss, weil ein Ort
nicht genug ist. Ich will mehr. Ich will meinen Träumen hinterher
jagen. Ich will mich richtig verlieben und irgendeine völlig
verrückte Liebesgeschichte erleben. Ich will Risiko, Abenteuer. Ich
will Menschen, die überrascht von mir sind. Ich will allen zeigen,
was in mir steckt.
Das
klingt wie eine Kampferklärung, eine Kampferklärung an mein Leben,
mein Schicksal, falls es so etwas gibt. Und das ist es auch. Ich will
kämpfen – für alles, was mir wichtig ist, für alles, woran ich
glaube, für alles, was ich mir erträume.
Hier,
in Ketten liegend, kann ich das nicht. Ich muss diese Ketten
abstreifen. Ich muss gehen. Ich muss endlich vorwärts kommen, weiter
und weiter und ja, natürlich werde ich stolpern und fallen und
zurückgeworfen werden, aber damit werde ich schon klar kommen. Ich
werde es schaffen, weil ich es will.
Lustig,
wie ich am Ende, wenn es um dieses Thema geht, immer an diesem Punkt
ankomme. Wenn ich traurig bin, melancholisch werde, will ich mich
wieder aufmuntern, das Gefühl abschütteln, um wieder tief
durchatmen zu können. Dafür fließen meist ein paar Tränen, aber
das ist okay. Die Angst ist okay. Selbst wenn das Alles ein Fehler
ist, ist es okay. Ich muss es versuchen, darum geht es. Denn wenn man
es nicht versucht und schon vorher aufgibt, hat man sowieso verloren.
Also
hey, Frankfurt, bald bin ich da und du wirst mich vielleicht nicht
bemerken. Ich werde nur eine von vielen sein, unbedeutend. Aber für
mich hat das Alles eine sehr große Bedeutung.
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